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Wird das Ende furchtbar sein?

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Ein A usspruch, der Bruno Kreiskys Vorgänger Bruno Pittermann zugeschrieben wird, hat einem Buch über Österreich unter und nach Kreisky den Titel gegeben: Das Ende wird furchtbar sein. Der Autor Walter Jambor, Direktor des Buchklubs der Jugend, versucht darin eine kritische Analyse des Kreisky-Jahrzehnts, im besonderen des Widerspruchs zwischen Programmtheorie und Politpraxis, sowie der Entwicklung christdemokratischer Alternativen. Reinhold Knoll, 1975 Organisator kritischer Wähler für Kreisky, hat das Buch „mit gemischten Gefühlen“ gelesen.

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Ein A usspruch, der Bruno Kreiskys Vorgänger Bruno Pittermann zugeschrieben wird, hat einem Buch über Österreich unter und nach Kreisky den Titel gegeben: Das Ende wird furchtbar sein. Der Autor Walter Jambor, Direktor des Buchklubs der Jugend, versucht darin eine kritische Analyse des Kreisky-Jahrzehnts, im besonderen des Widerspruchs zwischen Programmtheorie und Politpraxis, sowie der Entwicklung christdemokratischer Alternativen. Reinhold Knoll, 1975 Organisator kritischer Wähler für Kreisky, hat das Buch „mit gemischten Gefühlen“ gelesen.

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Kritiken kritisiert man nicht mehr. Man schreibt auch keine Gegenkritiken. Beide sind veraltete Stilmittel unserer Zeit. Wenn schon die Sprache der Politiker Wahrheit synthetisch macht, so ist die Form des Argumentierens obsolet. Wir können ohnehin nur zusehen, wie unser, 1945 geborener politischer Konsens in Agonie fällt.

Dazu hat Walter Jambor die Texte ausgewählt. Seine Kommentare verursachen gemischte Gefühle. Nicht nur, weil seine Kritik auch nicht mehr die Distanz zwischen uns und „Politik“ verringern kann. Sein historistischer Stil bekleidet die Gegenwart mit Empörung. Kulturpessimismus hat dann zwar immer recht - aber welche Gesellschaft geht nicht unter?

Seine Begründung folgt Kriterien, die nicht in jedem Fall gelten. Jambor ist an jenen Stellen des Buches ernsthaft zu diskutieren, wo er gegen Wertrelativismus zu Felde zieht. Darüber streitet man aber nicht mehr mit den Gestrigen. Wir sollten den Dialog eröffnen und einander begegnen - jenseits abgenutzter Institutionen.

Konkret: Das Leitmotiv ist das Ringen um eine neue Demokratie. Sie soll bei der Rekonstruktion christdemokratischer Gesinnung gelingen. An sie schließt sich das Bangen um die österreichische Eigenstaatlichkeit an. Die politischen Germanismen sind nach Jambor unverfroren aktuell. Nach Erfahrungen haben beide Themen etwas an sich.

Die Erwartung ist groß: Die christdemokratische Erneuerung könne die vorhersehbare Krise nach dem Ausscheiden Kreiskys meistern. Wo äußert sie sich?

Gerne verfällt man bei der Analyse der Skandale in Wirtschaft, Kultur und Politik in Gleichschritt. Der gemeinsame Weg wird aber kurz sein. Jambor empfiehlt nämlich der Hochkultur Volkskunst, der Emanzipation der Frau die Rolle in der Familie (als ob das so leicht ginge), der Mühe um Bildungschancen die Wiederherstellung schulischer Ordnungen. Darüber ist zu reden, doch sehe ich ganze Serien gegenwärtiger Entwicklungen unbeachtet.

Die geringe Empfindsamkeit fällt auf, die der Lebenshaltungskonservativismus beispielsweise der Kunst entge genbringt. Die Polemik gegen aktioni- stische Kunst ist für diese eher eine Ehre, denn nichts anderes hatte sie im Sinn. Andere Erscheinungsbilder fallen nicht ein.

Wegen des Zustands der „Massenkultur“ will Jambur deren „behördliche“ Auflösung. Will sich Jambor an der Kunst erbauen? Er will, daß jeder für sich den Felgeaufschwung zur Kultur schafft: bei Volkstanz und Blasmusik. Für die Bundestheater und -festspiele weist er zu recht vergilbten und zu kostspieligen Glanz nach.

Da fehlt mir schon die Auseinandersetzung mit der Kunst - etwa mit der Literatur von Jandl bis Handke. Sie ist der Prüfstein für die Sprache, die wir brauchen werden.

Jambor sieht in der Kultur eine Art gesamtgesellschaftlicher Inszenierung. Sein Vorschlag könnte sein: Ablöse des Neobarock durch Neobiedermeier.

Überdies stellt er damit ein Bewertungsschema har. Man kann sich aber nicht so vor Denktraditionen aus dem Staub machen, weder vor negativen noch vor positiven: Zwischen schwarzkatholisch und rot-agnostisch ist nicht nur braun-heidnisch. Daher passen bei Jambor nur Drittgarnituren ins Schema; draußen bleiben jene, über die man in jeder amerikanischen Kulturgeschichte lesen kann.

Und bitte: Kultur ist eben nicht bloß Burg, Oper und Lippizaner und Schützenverein. Jede kleine Jazzband hat im Daumen mehr Musikalität und Bedeutung als die von Jambor als Beispiel genannten Hobbykulturen der bescheidenen Freizeitmaler - so nett das auch ist.

Immerhin stellt Jambor den Zusammenbruch der sozialdemokratischen Subkultur fest. Darüber ist zu debattieren. Eine Richtung, die trotz ihrer Un tiefen - oder gar deswegen? - einen so großen Anteil in der Bevölkerung besitzt, ist jedoch keine Subkultur mehr. Hier sitzt der Autor einem altliberalen, säkularistischen Kulturbegriff auf, der nicht in seine Weltanschauung paßt.

Man kann auch nicht die alternative Jugendströmung beiseite lassen. Man kann nicht übersehen, daß sich unsere Gesellschaft in Fragmente aufgelöst hat. Am Bruch der Generationen haben wir schuld. Die Sattheit der Christen kennt keine Anteilnahme: am Beispiel der Entwicklungshilfe und der Gastarbeiter.

Diese Versäumnisse kann man nur durch neue Solidaritäten heilen. Unsere Parteienlandschaft ist eben schon eine Fiktion. Hier hat das Christentum seine Chance; sie besteht jedoch in der Aufgabe der Milieubindungen, die bislang nicht beim Wort genommen werden wollten. Das hat die Kirche bereits verstanden.

Da hilft keine neue alte Partei - bei Jambor die Volkspartei -, auch nicht die letzte Integrationsfigur: Bruno Kreisky. Jambor schreibt: „Das Erbe ... wird also furchtbar sein. Sino- watz ist zu gut und Fischer zu halbherzig und fischblütig, um das zu tun, was Androsch vermocht hätte: die Linke wegzuwischen.“

Das Wegwischen der „Linken“ ist aber nicht das Thema - es ist dies schon gar nicht die Handlungsform von Christen -, sondern wie begegnen wir der Angst, wie begründen wir Hoffnung? Androsch hätte sie geboten? Sicher nicht.

Walter Jambor glaubt, die Rekonstruktion "könnte mit einer Besinnung auf Traditionen christlicher Demokratie gelingen. Er kehrt zum Ausgangspunkt der Massenparteien zurück.

Dieser liegt im dunkeln. Dunkel wegen der Unkenntnis der Vorgänger - wer würde etwa Ernst Karl Winter eine Festschrift widmen oder gar Friedrich Heer? -, dunkel wegen der Mentalitätsstrukturen, die unter Christentum stets nur ein politisch-legasthenisches Milieu meinen.

Wir müssen neu beginnen: Mit mehr Liebe zu jenen Menschen, die ihrer Not nicht gewachsen sind, mit mehr Treue zu jenen, die keine Antwort wissen, mit Vertrauen für diese, die unsere Sorgen teilen. Wir finden sie immer öfter außerhalb der Parteien. Bürgerliche Parteien mit oder ohne bürgerliche Religion begegnen uns unversöhnlich. Was haben wir bei ihnen zu suchen?

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