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Kein Sommerloch in der Kultur

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Würde man sich heute bloß dem Bereich der Kultur zuwenden, könnte man fast glauben, sich in einer Phase üppiger Blüte zu befinden. Allerdings müßte man dabei großzügig sein und nicht allzugenau hinsehen: etwa dürfte man nicht verlangen, daß die gespielten und gezeigten Kunstwerke alle zeitgenössischer Herkunft wären, denn sonst bliebe das Angebot sogleich recht mager.

Betrachtet man aber die aufgeführten Theaterstücke, die Opern, das Angebot von Ausstellungen in Museen und Galerien, oder die Fülle der produzierten Bücher, so kann man nur von einer Überfülle sprechen. Alte Ruinen und Burgen erwachen zu neuem Leben und werden Schauplätze verschiedenster und oft sehr reizvoller Darbietungen. In Schloßgärten sieht man Mozart-Opern, in römischen Arenen erklingt - Verdi, in zahlreichen Kirchen gibt es Konzerte mit alter Musik, kaum ein Palast bleibt ohne Darbietungen mit Cembalo, Klavier oder Geige.

Das Publikum strömt hin, genießt den Abend, nützt die Ferien und gewinnt Abstand vom Alltag. Im Herbst folgen dann die Sturmfluten der Verlagsproduktionen, von denen die Buchläden überschwemmt werden. Freilich beginnt dann auch der Ernst der etablierten Saison, und auf den hochsubventionierten Staatsbühnen trägt Geßler die SS-Uniform, Toska telefoniert, zwölf Gretchen, drei Fäuste und mehrere Mephistos laufen in der gleichen Inszenierung herum, und dieser Unfug vertreibt dann wieder das Publikum, das im Sommer langsam neues Vertrauen zur Kunst gewonnen hat.

Je größer die Ballung von Steuergeldern in Staatstheatern wurde, umso radikaler die Offensive gegen ebendiese Steuerzahler, nämlich das Publikum. Mit Zuschauern werden diese Häuser dann eher manipulativ gefüllt. Aber nehmen wir alles nur in allem: soviel Geld wie in unseren Jahren ist wohl niemals je für Künste ausgegeben worden. Daß die Komponisten, Maler, Schriftsteller dabei eher in den Hintergrund, die Interpreten in den Vordergrund treten — das ist nun einmal ein Fakturm. Nicht zuletzt liegt es auch an diesen selbst.

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