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IM STREIFLICHT

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Vor kurzem hätte eine der ambitionierte-sten Wiener Bühnen ihren sechsten Geburtstag feiern können, wenn — ja, wennl Das Studio der Hochschulen, unmittelbar nach Kriegsende im Mai 1945 ins Leben gerufen, hatte sich in kurzer Zeit in die vorderste Reihe der Studentenbühnen gespielt und dem Unternehmungsgeist und Können der österreichischen Jugend in aller Welt ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Es lagen mehr Gastspielanträge vor, ate erfüllt werden konnten. Die Kette der Erfolge wäre wohl so bald nicht abgerissen, wenn nicht — ja, wenn nicht! Das Erbe übernahm das „Kleine Theater im Konzerthaus“, das nunmehr gleichfalls ernstlich bedroht ist. In der letzten Spielzeit konnte es sich mit einigen einwandfreien Inszenierungen — wir erinnern besonders an „Jo6ip und Joana“ — in den Vordergrund des Wiener Theaterlebens spielen. Seine schöne Aufgabe wäre ohne Zweifel mit einer bescheidenen Geste, mit einer Handvoll aus der Kassa des „Kulturgroschens“ zu retten, wenn nicht — ja. wenn nicht! Unterdes ist nun auch die .Insel“ untergegangen. In ihre Räume will nun die Kiba mit einem Lichtspieltheater einziehen Wie man hört, der Tradition des Hauses gemäß; nur mit „ganz besonderen“ Filmen. Ja, das wäre ganz schön, wenn ... Aber man hat im Rathaus sogar noch viel mehr Kultur vorzuschlagen. Man will in der weiland „Insel* nur in zwei Nachmittagsvorstellungen Filme lauten lassen, abends aber Theater spielen. Und dabei soll dieses Theater sogar eine echte Studiobühne sein, mit entsprechendem Spielplan. Freilich bedarf man dazu eines Direktors, eines Dramaturgen, eines Ensembles. Und wenn man schon vor einem Jahr sein Hera für die Kultur entdeckt hätte, wäre vielleicht alles einfacher gewesen — wenn! Aber da mehr Freude ist über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, so würde man es freudig begrüßen, wenn auf der liquidierten Insel nunmehr ein von der Gemeinde gefördertes (nicht proporzmäßig spielplangelenktes, bitte!) Theater entstünde, mit dem man die Sünden der Vergangenheit und Gegenwart teilweise gutmachen könnte. Es wäre ein erfreuliches Zeichen, wenn ...

Nach der Uraufführung der Ring-Tetralogie sagte Richard Wagner in einer Ansprache: „Sie haben jetzt gesehen, was wir können; wollen Sie jetzt! — Und wenn Sie wollen, werden wir eine Kunst haben.* Wenn .. .1

Auf der Favoritenstraße — und manchmal auch in Simmering — gibt es ein Theater, das es wagt, einem aus ganz einfachen Leuten, aus Arbeitern und Pensionisten, bestehenden Publikum ein modernes Problemstück vorzuführen: ein Heimkehrerstück, in dem die Schauspieler bisweilen aus dem Zuschauerraum sprechen, in dem die Szenen ein wenig wirr durcheinandergehen und manchmal auch halballegorische Figuren auftauchen, deren Bedeutung nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich ist. Die Schauspieler haben sich ihre sparsamen Kulissen selbst gemalt — viel braucht's da nicht: ein goldener Sessel und ein alter Telephonapparat genügen, um das Milieu der Nobelatmosphäre wiederzugeben. Sieben Schauspieler übernehmen etwa drei-oder viermal soviel Rollen. Ein Bart genügt, um aus dem Heimkehrer einen alten Spießer zu machen. Und das Phänomen, das Unglaubliche: die Zuschauer gehen vom ersten Akt an mit, sie sind gerührt, sie leben das Stück mit — auch dann, wenn der Vorhang stecken bleibt oder die Laterne magica, die den Scheinwerfer ersetzt, Mucken macht. Hier wird auf kunstlose Art Kunst geboten und Kunst genossen Die Zuschauer müssen nichts zahlen: in der Pause gehen die Schauspieler mit dem Körberl absammeln. Niemand muß qeben; und wenn einer fünfzig Groschen gibt, dann ist der Theaterdirektor auch zufrieden. Er heißt Gottfried Treuberg und verdient ein Ehrenblatt in der Wiener Theatergeschichte, denn er hat auf seine Weise bewiesen, daß die Theaterkrise ein Phantom ist, das sich bisweilen bannen läßt...

Karten zu den Philharmonischen Konzerten waren immer schon Mangelware: die zur Verfügung stehenden Plätze reichten in den letzten Jahren bei weitem nicht aus, die Freunde der Wiener Philharmoniker zu befriedigen. Es ist auch bekannt, daß die Karten ziemlich teuer sind. Nun sollen diese Konzerte einem weiteren Hörerkreis zum Einheitspreis von drei Schilling zugänglich gemacht werden: Die Sendergruppe Rot-Weiß-Rot veranstaltet gemeinsam mit den Philharmonikern im Großen Musikvereinssaal einen Zyklus von Samstagnachmittagskonzerten, bei denen erstklassige Dirigenten vorwiegend klassische und romantische Musik interpretieren werden. Da sowohl der Besuch als auch die Finanzierung dieser Konzerte als gesichert angenommen werden können, wird es vielleicht möglich sein, auch der neuen Musik ab und m ein Plätzchen in den Programmen einzuräumen...

Die Flagge der ersten österreichischen Boys-Town

Die Idee Father Flanagans hat auch in Österreich Fuß gefaßt. Auf einem ehemaligen 32 Hektar großen Grundbesitz in Hochleiten in der Nähe Wiens ist sie ins Leben getreten. Ihre Schöpfer sind Dr. Buchwieser, der bereits 1946 in einer Wiener Bombenruine mit Heimkehrern eine Art Boys-Town zu gründen versuchte, und die österreichische Handelskammer, die die Mittel zur Verfügung stellte. Die Hochleitnar Boys-Town soll 500 Lehrlinge aufnehmen, die zu sechst je ein kleines Haus bewohnen werden. Die Boys-Town besitzt Selbstverwaltung; es gibt einen Gemeinderat, eine Vollversammlung, ein Gericht, einen gewählten Kanzler, Vizekanzler und Minister, es gibt eine Finanzverwaltung, die die progressiv gestaffelten Steuern einhebt, es gibt eine eigene Flagge usw. Die Boys-Town ist überparteilich und überkonfessionell. Der Jungarbeiter, der in sie eintritt, muß sich verpflichten, immer ein guter Kamerad zu sein, Ehrfurcht vor Gott und den Menschen zu haben, für den sozialen Fortschritt zu kämpfen, wahrheitsliebend und ehrlich zu sein und jeden Tag eine gute Tat zu vollbringen.

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