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Auf Sand oder auf Fels bauen?

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Seit langem schon beobachte ich, daß auch christliche Politiker — und ebenso christliche Manager oder Unternehmer - nichts oder so wenig wie möglich vom Christentum reden. Sich zum Christentum zu bekennen, scheint unvorteilhaft, unpopulär, ja riskant geworden zu sein.

Aber: Niemandem geschieht Schlimmes, der sich für die christliche Religion, für christliche Verhaltensweisen ausspricht. Warum wird dies gerade von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, so sorgsam vermieden? Die Antwort ist klar: Das könnte Wählerstirnmen kosten, könnte bloß im Materiellen lebende Konsumenten verschrecken.

Der große Historiker Arnold Toynbee (wer nennt noch seinen Namen, wer liest seine aufregenden Werke?) sagte einmal von den Männern, die im 18. Jahrhundert die liberale Wirtschaft aufbauten: „Ihr Wirtschaftsgebäude war eingestandenermaßen ein Notbehelf; doch als sie es errichteten, trugen sie Sorge, es auf einem religiösen Felsen und nicht auf ökonomischen Sand zu bauen.” Für Toynbee ist der religiöse Glaube entscheidend in der Geschichte, und im Kommunismus sah er die enorme Gefahr einer pseudoreligiösen Lehre, an die das Proletariat und zahlreiche Intellektuelle zu glauben begannen.

Nun ist der kommunistisch-marxistische „Glaube” zusammengebrochen. Aber auch die christliche Religion hat großen Schaden erlitten. Alexander Sol-schenizyn wird nicht müde, den „dekadenten Westen” zu kritisieren. Zwar riskierte er seine Freiheit, als er mit äußerster Kraft gegen den Kommunismus auftrat, aber der Zustand der westlichen Demokratien läßt ihn schaudern: Den leeren materiellen He-donismus, die wirtschaftliche Progression bei gleichzeitiger inhaltlicher Leere hält er für eine latente Katastrophe. Man kann seine Ängste verstehen.

Wie wäre es, wenn sich christliche Politiker, Autoren, Intellektuelle in Zukunft ein wenig deutlicher und offener mit ihrem Christentum identifizierten? „Ökonomischer Sand” ist vielleicht ein gutes Bindemittel, aber sicher keine Basis für Bauwerke der Zukunft.

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