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Monets Unendlichkeit

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Der Eintritt in das Außerordentliche der Kunst ist gerade für den Kenner, den erfahrenen Studierten, ein Wunder. Gerade wenn man mit einer Vielzahl rationaler Mittel Kunstwerke analysiert hat und in den Biographien der Maler, Musiker, Dichter den Wurzeln ihrer Kunst auf den Grund zu gehen bemüht war, gerade dann wird der Grad der Überwältigung umso höher.

Versuche, die Voraussetzungen des kreativen Genies zu klären, machen die Dimension des Erstaunens unendlich. Im richtigen Verständnis ist die rationale Untersuchung ein Kniefall vor dem Unerklärlichen.

Je genauer und wissensreicher an die Auffindung der rationalen Vorbereitung herangegangen wird, die der große Künstler selbst für sein jeweiliges Werk unternimmt, ob er Stöße von Skizzen stapelt, ob er zahllose Papiere mit Ziffern füllt, irgendwelche Berechnungen scheinbar ganz fremder Art anstellt, bevor er tatsächlich malen, komponieren, zu gestalten beginnt - umso rätselhafter wird die eigentliche Koinzidenz aller dieser Vorakte.

Vor allem wird für den Betrachter, Hörer, Leser des Werkes durch die Kenntnis dieser Vorstufen die Wirkung des Außerordentlichen umso evidenter. Die Teilnahme an einem solchen Wunder wird, je mehr man in die Kenntnis seiner Vorbedingungen eingedrungen ist, umso bedeutender, ja absolut unentbehrlich.

Das Phänomen Claude Monet, das sich durch die Ausstellung im Belvedere, in beinahe idealer Umgebung, vor uns aufschließt, zeigt in voller Klarheit diese Unentbehrlichkeit. Wie konnte man in Wien so lange ohne solche Ereignisse leben? Eine Ausstellung wie diese ist nötig für die Marke, die durch sie für alles künstlerische Schaffen gesetzt und in Erinnerung gerufen wird. Hier erfährt jeder, der sehen und erleben kann, was Kunst in ihrer höchsten Bedeutung ist.

Die zeitgenössischen Künstler können erschrecken und herausgefordert sein. Ich beneide niemanden, der hier sieht, was er mit seinem eigenen Schaffen für seine eigene Zeit in seinem eigenen Stil (also auf ganz andere Weise als Monet) aber in annähernder Qualität erreichen sollte. Auch in den dunklen, melancholischen Bildern ist Monet souverän, weise, heiter. Was Kunst ist, erlebt man jetzt bei Monet wie sonst nur ganz selten.

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