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Ethik und Wirtschaft
Daß Historiker, Kulturwissenschaftler, Schriftsteller und Künstler unter den lebensgestaltenden Werten die Kultur an erster Stelle nennen, braucht nicht sehr zu überraschen, obwohl auch das schon selten geworden ist. Geradezu aufregend jedoch ist es, wenn ein Wirtschaftsfachmann und Politologe von internationalem Rang folgendes versichert und über diese These ein 520 Seiten langes, ausführlich fundiertes und glänzend geschriebenes Buch vorlegt und schreibt: „Heutzutage sind so gut wie alle politischen Fragen im Kern wirtschaftliche Fragen", weiters: „Die wirtschaftliche Frage kann nicht von der kulturellen Sphäre getrennt werden", drittens: „Die dabei (und in allen solchen Fragen) ausschlaggebende Variable ist nicht die Wirtschaftspolitik per se, sondern die Kultur."
Dieser Fachmann ist eine der brillantesten Figuren der heutigen Wirtschaftspolitik, ein Mann, der es durch das leicht mißverständlich betitelte Werk „Das Ende der Geschichte" vor vier Jahren zu einem Bestsellererfolg gebracht hat. Francis Fukujamas neues Buch „Konfuzius und Marktwirtschaft" (Verlag Kindler) kann für eben jene Verbindung von Wirtschaft, Politik und Kultur noch viel größeren Anspruch auf Erfolg erheben als seine erste aufsehenerregende Arbeit. Der in den USA geborene und aufgewachsene japanische Zeitbeobachter und Gelehrte, einer der Stars aus Havard, der RAND-Corporation und des Planungsstabs des US-Außenamtes, findet zum Primat der Kultur in allen seinen Überlegungen auf einem ungewöhnlichen und dadurch besonders interessanten Weg: Er analysiert die großen Wirtschaftserfolge der bedeutendsten Wirtschaftsnationen unseres Jahrhunderts.
Die Analyse der Ergebnisse mag manche Fachleute der „klassischen Wirtschaftswissenschaften" erstaunen - sie zeigen, daß der Urgrund dieser Erfolge die Besonderheit der jeweiligen Kultur ist. Unter Kultur versteht Fukujama „ererbte ethische Gewohnheiten", die „gemeinsame Sprache von Gut und Böse". Das „Humankapital", das „soziale Kapital" sind für den wirtschaftlichen Erfolg die wichtigste, die entscheidende Grundlage. Geld und Wohlstand bedeuten heute weniger materielle Ziele, sondern Anerkennung und Wertschätzung, wobei Fukujama auf den enormen wirtschaftlichen Erfolg der Mormonen eingeht. Gerade der Umweg über Wirtschaft und materielle Überlegungen führen ihn zu Humanismus, Ethik, Philosophie. Es ist klärend, die Welt in diesem Spiegel zu sehen.
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