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Hoffen auf das Unmögliche
Als in unserer Situation höchst aktueller Satz erscheint mir eine der stärksten und wirksamsten Formulierungen, die ich überhaupt kenne: Sie steht in den Römerbriefen des Heiligen Paulus und lautet „Gegen alle Hoff- > nung hat er voll Hoffnung geglaubt".
Daß man ihrer momentan so dringen bedarf, bezeichnet den Ernst der Stunde. Genau überlegt, ist die darin geforderte und beispielhafte Haltung die einzige, die unserer derzeitigen Lage gemäß ist: Ob man an Österreich, an Frankreich, an Deutschland, an den Zustand der westlichen Wohlfahrts-Demokratien denkt oder an Rußland, Polen, Bulgarien und Bumänien (ich könnte noch viele Länder aufzählen) - die verschiedenen Bettungshypothesen gehen sich einfach mathematisch nicht aus.
Und zwar deshalb nicht, weil die Bevölkerung in einer Demokratie keineswegs bereit ist, über ihren gegenwartsbezogenen Hedonismus hinaus in ausreichendem Maß an die Zukunft zu denken. Wie man sieht, ist dies nicht einmal in den USA möglich. Die „lustige Schuldentour" wurde bereits derart normaler Alltag, daß vor allem die jungen Generationen nicht einsehen, warum sie von diesem angenehmen Alltag mit seinen sozialen Vorzügen abgehen sollen.
Im Gegenteil, von diesen normal gewordenen Vorteilen wird noch viel mehr verlangt.
Die existentiellen Situationen sind verloren gegangen, an denen dieser Alltag zu messen wäre. So befinden sich Beobachter in der hoffnungslosen Lage, zu wünschen, daß ohne Krieg, Hunger, wirtschaftliche Katastrophen (Gott bewahre uns davor), dennoch ein entsprechendes Maß an notwendigem Zukunftsdenken erwächst - bevor die Not da ist.
Die Bettung widerspricht aller menschlichen Logik. Stanislaw Lern modifizierte den Paulus-Satz, als er beim Zusammenbruch des kommunistischen Beiches sagte: „Sicher ist nur eines - das Unmögliche."
Wollen wir also hoffen, daß es diesmal das Wunder der vernünftigen Erkenntnis einer demokratischen Mehrheit gibt, die freilich bisher von Wahlen stets widerlegt wurde. Dennoch: Hoffen wir auf das Unmögliche.
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