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Das Thema Weltuntergang oder, in gemilderter Form, der Kulturpessimismus, werden das Leben begleiten, solange es Menschen gibt. Schon in ägyptischer Frühzeit findet man herzzerreißende Klagen, bereits 2000 vor Christus "liegt das Gute überall am Boden ... jeder raubt die Habe seines Nächsten", man sehnte sich nach dem Weltende. Iuvenal, Cyprian, Tertullian, Salvianus, Ambrosius sahen nach furchtbaren Zeiten von Kriegen, hemmungsloser Demoralisierung, von Hunger und Elend die bald bevorstehende Apokalypse als unvermeidlich vor sich.

Mit Nietzsche, Spengler, Cioran und vielen anderen faszinierenden Denkern erreichten die Leistungen der Kulturpessimisten wirkungsvolle Höhepunkte. Eben sind wieder einige niederschmetternde Analysen der heutigen Gegenwart in Buchform erschienen, die mit der Drohung die Warnung verbinden. Der Blick in den Abgrund hat seine Effekte und zum Erschrecken gibt es wahrhaft aktuelle Gründe. Malt man damit den Teufel an die Wand, bis er herabspringt und noch erfolgreicher agiert? Kann sich die hypnotische Wirkung der Katastrophe noch verstärken?

Der französische Philosoph Gabriel Marcel, der nach dem Zweiten Weltkrieg genug Motive zum Entsetzen vorfand, schrieb Gedanken auf, die einen fruchtbaren Umgang mit solchen Unheilsverkündungen zeigen: Zwischen absoluter Verzweiflung und Hoffnung bestehe eine dialektische Beziehung. Zwar bezeichnet er die Verzweiflung als eine Art Defaitismus, der in Gefahr komme, insgeheim zu Gunsten des Schlimmeren Partei zu ergreifen, zumindest seiner Faszination zu erliegen. Maritain schrieb einmal: "Nichts ist leichter für eine Philosophie als tragisch zu sein; sie braucht sich nur ihrer menschlichen Bürde zu überlassen." Für Maritain beginnt die Philosophie erst bei solcher Erkenntnis. Gabriel Marcel setzt nun dort an und meint: "Deshalb kann man den großen Pessimisten der Geschichte des Denkens nicht genug Dank sagen; sie haben eine gewisse innere Erfahrung bis an die Grenze vorangetrieben ... sie haben unser Verständnis dafür vorbereitet, daß die Verzweiflung sein könne: ... Das Sprungbrett zur höchsten Bejahung."

Wer diese Erfahrung kennt, kann die Untergangsprophetien als Herausforderung entgegennehmen. Marcel war mit seinem scheinbaren Antipoden Cioran befreundet ein sehr sinnvoll gelebtes Beispiel.

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