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Im Wellental der Aufmerksamkeit

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Manės Sperber ist ein wenig länger als zehn Jahre tot, und in dieser Zeit war kaum mehr von ihm die Rede. Seine Bücher wurden in deutscher Sprache nur wenig verkauft, es gab zwei oder drei interessante, in kleinem Kreis beachtete Symposien, manche Vorträge, doch die wirksame Resonanz blieb aus. Die Fachleute waren nicht überrascht. Nach dem Tod einer so stark durch ihre lebendige Aktivität präsenten Persönlichkeit werden erst einmal auch deren Bücher in die Dunkelheit mitgerissen.

In der literarischen Branche und bei den Buchhändlern gilt es als normal, daß den großen Nachrufen nach einer kurzen Verkaufs- welle die große Stille folgt. Ein Wellental beginnt, und alle Freunde des Verstorbenen erleben zur persönlichen Trauer noch die tiefe Enttäuschung über das beklemmende Schweigen.

Diese geradezu magische, beklemmende „Windstille“ wirkt unheimlich. So war dies etwa bei Karl Jaspers, bei Gabriel Marcel, aber auch bei Teilhard de Chardin und vielen anderen. Andere Autoren, andere Namen, andere Stile, andere Frequenzen kamen, die meist in erheblichem Kontrast zu Früherem standen. Die öffentliche Aufmerksamkeit, Massenmedien, Leser wenden sich neuen Personen zu.

Die Fachleute allerdings wissen: nach einer gewissen Frist schwenkt der Scheinwerferstrahl der Aufmerksamkeit verblüffenderweise wieder zurück. Plötzlich stehen viele der fast vergessenen, einst bewunderten und bejubelten Autoren neuerlich im Mittelpunkt, niemand versteht, wie man sie überhaupt vergessen konnte.

Wer weiß heute noch, daß Erich Fromm lange Zeit total in den Hintergrund geraten war? Daß Herrmann Hesses Romane und Erzählungen und deren Lizenzen jahrelang trotz einstiger Berühmtheit unanbringlich waren?

Von Manės Sperber erschien eben eine knappe Auswahl gemeinsam mit mehreren neuen Essays aus dem Nachlaß, herausgegeben von Wilhelm von Stemburg im Europaverlag. Eine Dekade nach dem Tod Manės Sperbers ist vergangen - das Wellental, die Zeit der „Windstille“ könnten jetzt enden. Sollte nicht jeder (neuerlich oder nun das erste Mal) nach der „Träne im Ozean“ und nach „All das Vergangene ...“ greifen?

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