7117615-1996_21_18.jpg
Digital In Arbeit

Aufregende Schau

Werbung
Werbung
Werbung

Ein durchaus konventionelles Thema: „Die Entstehung des christlichen Europa”: aber wie anschaulich, spannend und seriös geschrieben! Man ist wieder einmal veranlaßt zu sagen, derlei können vor allem die Engländer und Amerikaner, so ohne Prätention, ohne große Geste, ohne belehrende Absicht, jedoch mit spontaner narrativer Regabung. Peter Rrown war Professor in Oxford, lehrt jetzt in Princeton, ist ein hervorragender Gelehrter, der dies vor allem dadurch merken läßt, daß er sein ernormes Wissen ohne jede Selbstdarstellung gleichsam als unerschöpfliches Material eines begabten Erzählers ausbreitet. Schon der Beginn des Buches ist eine ideale Exposition: die Schilderung der Welt des damaligen Universalgelehrten Bardaisan in Edessa um 200 nach Christi Geburt. Dort mischten sich griechische, persische und römische Einflüsse, die im Weltbild dieses hochgebildeten Mannes eine interessante Synthese fanden. Peter Rrown setzt mit seinem Werk dort an, wo unsere europäische Kultur ihren Anfang nahm: im Osten. Hier schreibt kein eurozentristischer Europäer, sondern ein epischer Historiker, der sich den Auftrag gegeben hat, die Geburt des christlichen Europa so zu beschreiben, wie sie nach besten Erkenntnissen stattgefunden haben dürfte. Rrown, so gewinnt man den Eindruck, folgte nicht nur dem Drang, die Quellen zu studieren und sich ein enormes Wissen anzueignen, sondern der Freude an seiner narrativen Begabung, die nie den Boden wissenschaftlich verbürgter Forschung verläßt (soweit man dies den genauen Quellenangaben und soliden Nachweisen entnehmen kann). Die Strömungen des historischen Geschehens wurden selten so überschaubar und einleuchtend sichtbar gemacht, wie auf diesen 369 Seiten.

Carl Schneiders berühmtes Buch „Geistesgeschichte der christlichen Antike (Beck Verlag) mag genauer ins Detail führen, Manfred Fuhrmanns „Rom in der Spätantike” (Artemis & Winkler) sein Thema ebenfalls mit mehr Einzelheiten ausstatten - Peter Rrowns „Entstehung des christlichen Europa (Beck Verlag) eignet sich als humanistischer Einstieg und als Zuruf, sich weiter mit dem Stoff zu beschäftigen, wohl am besten. Studium als Freude am Abenteuer des Erkennes und Lernens, als Vergnügen an der Schau über eine Epoche der Weltentwicklung - dies kann man hier erfahren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung