Man braucht nur in den ehemals kommunistischen Ländern mit Freunden einige längere Gespräche zu führen, um mit Schrecken zu erkennen, wie gut es uns in den westlichen Demokratien geht und wie miserabel den Freunden dort. Gewiß, sie haben nun die Freiheit, weder Telefon noch Wohnungen werden mehr abgehört, sie können auch reisen, aber die berufliche Stellung ist oft gefährdet, die Arbeit in vielen Fällen äußerst kompliziert, strapaziös und frustrierend geworden.
Der arbeitslos gewordene Physiker karm wohl ganz verständlich tief enttäuscht sein, weil aus Geldmangel und fehlender militärischer Notwendigkeit die Forschung in w’affenorientierten Gebieten eingestellt wurde und er keinen neuen Posten fmdet. Der Schriftsteller, der seinen Verlag verloren hat, ist enttäuscht, weil das Staatsuntemehmen zusaimnenbrach. Nun muß er im Chaos neuer, oft abenteuerlich spekulativer Gründungen nach neuen PublikationsmögUch-keiten suchen.
Die Direktorin des wissenschafthchen Labors einer Preßburger Klinik verzweifelt, weil sie nicht nur aus der Schweiz, sondern etwa auch aus Brünn Geräte init Umrechnung über ECU kaufen muß. Die Mitarbeiter von Akademien der Wissenschaften zittern um ihre Arbeitsplätze, weil man in Totalver-keimung des demokratischen Systems meint, auch Spitäler, Museen und Akademien müßten ihre Finanzierung auf dem freien Markt selbständig einspielen.
Der furchtbare Fehler der Ideologisierung von allem und jedem droht dort auch die Demokratisierung zu ruinieren - auch die Marktwirtschaft kann an Ideologisierung sterben. Demokratie und Markt-vnrtschaft beruhen auf Pragmatismus. Führt man wieder Absolutismen ein, geht auch die Marktwirtschaft zugrunde. Schon vieles ist in Rußland deshalb schiefgegangen, und die Gefahr wird größer: die schwierigste Haltung für den postkommimistischen Menschen scheint Pragmatismus zu sein. Aber ohne ihn kann es dort keine positive Entwicklung geben.
