Nachhaltige Wortkarriere

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Es gibt verbale Eintagsfliegen, die nach kurzem medialen Höhenflug so plötzlich verschwinden, wie sie davor für einen aktuellen Benennungsbedarf aufgekommen sind. Wer erinnert sich heute noch an den Baummörder? War das ein Frevler an der Natur oder ein Verbrecher, der seine Opfer bevorzugt unter Bäumen erledigte?

Aber es gibt auch Ausdrücke, die scheinbar jäh auftreten, in Wahrheit aber eine lange Wortgeschichte hinter sich haben. Zu diesen späten Heimkehrern zählt Nachhaltigkeit. Vom besorgten Leitartikel über den kritischen Lagebericht bis zur kommerziellen Erfolgsbilanz, im politischen Diskurs, in repräsentativen Festreden, selbst in der Sonntagspredigt: immer wird Nachhaltigkeit erwartet, vermisst, empfohlen, versprochen, erhofft, in jedem Fall aber als Ziel positiv hervorgehoben: ein Prestigewort und Leitvokabel unserer Tage.

Der Weg seiner Bildungsweise führt über mehrere Stufen: Das verschollene Substantiv Nachhalt zeitigte das Verbum nachhalten im Sinne von "andauern", das immerhin bereits Goethe ebenso gern gebraucht hat wie die zugehörige Eigenschaft nachhaltig. Gerade dieses Adjektiv konnte sich bis heute behaupten: als bequemes Kürzel für "längere Zeit anhaltend und wirksam", was gerade den Fachsprachen von Bäderkuren, Bodenkultur und Forstwesen gelegen kam. Im Funktionalstil der Waldwirtschaft hat denn auch die Ableitung Nachhaltigkeit als Inbegriff einer andauernden erfolgreichen Nutzung überwintert.

Ein Ende der Karriere von Nachhaltigkeit als Fahnenwort der öffentlichen Sprache ist nicht abzusehen: Vielleicht weil es mit seinem soliden semantischen Gewicht allen kurzatmigen Programmen und hektischen Scheinlösungen die Stirn bietet. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Parole nicht an den Devisen scheitert!

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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