Neue, junge Lesegeneration

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Der Roman "Das Birnenfeld" der Filmemacherin Nana Ekvtimish vili spielt in einem Internat für geistig behinderte Kinder am Rande der georgischen Hauptstadt Tiflis. Allerdings sind die wenigsten Zöglinge tatsächlich behindert, es sind vielmehr elternlose oder verlassene Kinder, die anderswo kein Bett zum Schlafen fänden. Die Sitten in der Kertschstraße sind rau und Lela, eine beherzte Achtzehnjährige, hat in der verwahrlosten Anstalt die Rolle einer Ordnungskraft übernommen. Ob Lelas Plan verwirklicht wird und der Geschichtslehrer, der sie als Neuankömmling missbraucht hat, tatsächlich sterben muss, lässt die Autorin offen. Die Geschichte konzentriert sich mehr und mehr auf Lelas schüchternen Kollegen Irakli, für den sich plötzlich eine Perspektive eröffnet: Seine Adoption durch amerikanische Zieheltern wurde in die Wege geleitet und Lela übernimmt es nun, Irakli auf dieses neue Leben vorzubereiten. Ihre Methoden sind eigenwillig und die Geschichte der Adoptionsanbahnung ist spannend und durchaus mit Humor erzählt. Obwohl vom Verlag nicht als solches ausgewiesen, handelt es sich um ein Jugendbuch, allerdings eines der härteren Sorte.

Obsessive Beobachtungswut

Bekommt man, wenn man Zeuge eines Verbrechens wird, leichter einen Job? Eröffnet sich so der ersehnte Einstieg in eine tendenziell korrupte Gesellschaft?"Die Farbe der Nacht" ist eine Kriminalgeschichte und versucht ein Sittenbild über dieses zugegebenermaßen heikle Thema. Sura, ein arbeitsloser junger Georgier, verbringt viel Zeit zu Hause, die Ehefrau ist beruflich stark engagiert und das Auftauchen eines roten Alfa Romeo im Hof des Hauses bringt erste Abwechslung. Fasziniert vom Lebenswandel des Sportwagenbesitzers bekommt Suras Beobachtungswut bald etwas Obsessives: Der schöne Fremde empfängt gelegentlich Herrenbesuche und -wie sich anhand eines parallel dazu entfaltenden politischen Konflikts zeigt -auch solche eines hochrangigen Politikers. Davit Gabunia ist als Dramatiker, Übersetzer und Kritiker hervorgetreten. Ihn interessiert die Auflösung tradierter Rollenbilder in der georgischen Gesellschaft und offenbar hat er damit einen Nerv getroffen: "Die Farbe der Nacht" ist sein erster Roman, in Georgien ein Bestseller und das Kultbuch einer neuen, jungen Lesergeneration.

Postsowjetische Tristesse

Wofür Nino Haratischwili 1279 Seiten braucht, schafft der 1958 in Tiflis geborene Kote Jandieri in 109. Hinter dem Titel "Globalisierung" verbirgt sich der Monolog eines redefreudigen Alten, der das Schicksal seiner Generation recht ausdrucksstark zur Sprache bringt. Wie mit dem Zeitraffer betrachtet, verschwinden hier Menschen, Kulturen, Traditionen, und was die Sowjetunion in Georgien nicht geschafft hat, erledigt nun "die Globalisierung" (steht für "Kapitalismus", "Marktwirtschaft","der Westen" usw.). Was bleibt, ist die Klage über den Zivilisationsmüll der Gegenwart. Diese Form zu räsonieren, die Auflösung der Zeitläufte in Anekdoten, ist natürlich auch dem Alter des Helden geschuldet; die postsowjetische Tristesse, die Ruinenlandschaft, die die "lichte Zukunft" hinterlassen hat, wird doch recht eindrücklich zur Darstellung gebracht.

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