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Das Linzer Landestheater zeigt eine szenische Fassung von Houellebecqs "Elementarteilchen".

Die neue Spielzeit begann am Landestheater mit der von Regisseur André Turnheim und Wolfgang Stahl erarbeiteten Bühnenfassung des zivilisationspessimistischen "Skandal"-Romans "Elementarteilchen" aus dem Jahr 1998. An diesem Werk des französischen Autors Michel Houellebecq scheiden sich bis heute die Geister. Auch das Premierenpublikum reagierte kontrovers, obwohl es die künstlerischen Leistungen der Protagonisten und die faszinierende Bühne von Stefan Heyne - eine in gleißendem Licht langsam rotierende Plexiglas-Schnecke, die an das Kinderspiel "Figuren-Auswerfen" erinnert (Musik Stefan Schreck) - anerkennend akklamierte. Anerkennung verdient aber auch die Inszenierung, da es Turnheim gelang, aus dem dickleibigen Roman ein recht stringentes Stück heraus zu meißeln und die verbalen Obszönitäten durch Sachlichkeit zu mildern. Georg Bonn weiß seine wenig sympathische Rolle des Sexmaniac Bruno vor dem Hintergrund seiner fiktiven Lebensgeschichte glaubwürdig zu gestalten. Auf eine Darstellung von Sexpraktiken wurde mit Ausnahme einer ironisch-komischen Andeutung verzichtet, zumal viel geredet und erzählt wird.

Vor allem wird aus dem Leben von Bruno und seinem Halbbruder, dem autistischen Michel (packend realitätsnah: Daniel Doujenis), erzählt, deren gemeinsame Hippie-Mutter sie zu ihren verschiedenen Großeltern abschob, um sich in einer kalifornischen Kommune auszuleben. Verkörpert von Silvia Glogner, flattert die Alt-68erin, abwesend lächelnd, in die Schnecke hinein und wieder heraus. Mutterliebe und Nestwärme haben die Brüder nie kennen gelernt.

Frönt Bruno seinen sexuellen Obsessionen, so ist Michel, ein anerkannter Mikrobiologe, fixiert auf sein Fach. Er ist überzeugt, dass unserer westlichen Zivilisation, in der die Seele der christlichen Anthropologie durch den biologischen Materialismus ersetzt worden sei, eine weitere "metaphysische Wandlung" bevorstehe, "das heißt eine radikale, globale Veränderung der von der Mehrzahl der Menschen geteilten Weltanschauung".

Weder Bruno noch Michel sind beziehungs- oder liebesfähig. Auch nicht deren Freundinnen Annabelle und Christiane (Gunda Schanderer und Isabella Szendzielorz), in denen sich plötzlich Sehnsucht nach Liebe regt. Zu spät. Beide Frauen sterben. Bruno begibt sich für den Rest seines Lebens in eine psychiatrische Klinik, und Michel geht nach Irland, um dort seine Forschungen mit dem Klonen des unsterblichen, geschlechtslosen menschlichen Wesens zu beenden: "die Vision jenseits des Egoismus und sexuellen Elends".

Wird Houellebecqs Roman auch als "die unmoralische Geschichte eines großen Moralisten" bezeichnet, so finden sich darin doch in ihrer Traurigkeit berührende Passagen.

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