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Der Nachlaß von Emmanuel Mounier

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„Feu la Chretiente“ (Es gibt keine Christenheit mehr), das jetzt bei der von ihm gegründeten Edition erscheint, ist das letzte Werk Emmanuel Mouniers, der in den ersten Morgenstünden jenes- Tages plötzlich starb, an dem er die Fahnen zum Umbruch schicken spllte, und dieser tragische Umstand macht diesen Sammelband der zwischen 1937 und 1949 geschriebenen Aufsätze zum letzten Ausdruck seines religiösen Denkens, zu seinem religiösen Vermächtnis.

Aus dieser Sammlung konkreter Auseinandersetzungen mit einzelnen Fragen, Erscheinungen und Persönlichkeiten, läßt sich ein Teil seines Weltbildes rekonstruieren. Leider nur ein Teil, denn seine publizistische Tätigkeit und sein plötzlicher Tod hinderten ihn daran, seine Gedanken zu einer Summe zu gestalten. Seine Freunde wissen, daß sein Christentum 6ich In'der Auseinandersetzung mit seiner Zeit nicht erschöpfte, sondern daß diese Auseinandersetzung ein Dienst am Ewigen, die Betätigung einer innigst erlebten Gewißheit war. In dieser Gewißheit des Glaubens und der Liebe wurzelte 6ein christlicher (und sein sozialistischer) Aktivismus.

„Feu la Chretiente.“ Nicht zufällig hat Mounier diesen herausfordernden Titel gewählt, der nicht so 6ehr als Feststellung zu deuten ist, denn als ein Imperativ: das eigenartige Verhältnis zwischen Kirche und weltlicher Gesellschaft, dem die mittelalterliche Christenheit mehr oder weniger entsprach, bleibt nämlich, in einigen Ländern erhalten, und zwar gerade in den Ländern und Länderteilen, .welche, die allgemeine Entwicklung von. der patriarchalischen Landwirtschaft zur industriellen Zivilisation und von dem verwissenschaftlichen Zeitalter1 zum wissenschaftlichen.1 nicht völlig oder gar nicht mitgemacht haben.'Daß gerade diese Länder als eminent christlich gelten, betrachtet Mounier als ein Zeichen eines historischen Versagens, nicht des Christentums oder der Kirche, sondern der Christen, die, indem sie sich an überholte Gesellschafts- und Denkformen klammerten und sie künstlich am Leben zu erhalten versuchten, es versäumt haben, zwischen einem ewigen, aber gerade deshalb ewig jungen und ewig werdenden Christentum und einer geänderten Welt ein neues Verhältnis herzustellen. Aus diesem Versäumnis erklärt sich, daß die moderne Welt sich außerhalb des Christentums und schließlich gegen das Christentum entwickelt habe und daß vieles Positive, ohne die Christen, trotz ihnen und schließlich gegen sie geschaffen und errungen worden sei: dies gelte unter anderem für die Fortschritte der Natur-und Geisteswissenschaften, für die Entwicklung der Philosophie, für das demokratische Ideal der Freiheit und die Arbeiterbewegung.

Man weiß, daß solche Gedankengänge bei den französischen Katholiken und dem französischen Klerus ziemlich häufig anzutreffen sind, sowohl was die politischen Fragen, als was Philosophie und Theologie oder Kunst' und Liturgie anbelangt, und daß Mounier achtzehn Jahre lang zu ihrer Verbreitung unermüdlich beigetragen hat. Sein eminent dialektisches Denken weigerte sich aber, die . beiden Pole des Problems voneinander zu trennen und warnte nicht nur vor einer Gefahr, sondern von den - zwei entgegengesetzten Gefahren, die sich aus dem Ubersehen einer dieser beiden Pole ergeben können. Als einer der ersten hatte er gesehen, daß der moderne Christ dazulerneq solle, daß er den Vorsprung der modernen Welt- und. des weltlichen Gedankens ein-zuhöjen habe, daß das Christentum als historische Erscheinung sich an die völlig geänderte historische Lage anpassen, vielleicht einen neuen philosophischen Ausdruck annehmen solle oder vielleicht einige seiner seit den Kirchenvätern schon vorhandenen, aber bisher etwas vernachlässigten theologischen Möglichkeiten gründlicher verwerten. Er vergaß aber nicht, daß der Wesenskern des Christentums von diesem Umbau unberührt bleiben müsse, daß man beim Abstreifen des Vergangenen und Vergänglichen das. Ewige nicht aufgeben dürfe.

Besonders interessant ist in dieser Beziehung die Aufsatzfolge „Christianisme et Communisme“, und namentlich die Auseinandersetzung mit dem Problem der sogenannten „Fortschrittlichen Christen“. Erwähnenswert wären auch Mouniers Auffassungen vom Verhältnis des Christen und de Christentums zur Welt und zur Kultur, woraus er folgert, daß keine Kultur an sich christlich oder unchristlich sei, und den Verweltlichungsprozeß der politischen Gesellschaft bejaht, der zwar ein totalitäres, aber nicht ein verinnerlichtes und praktisch erlebtes Christum ausschließe.

Wir hoffen, daß sämtliche Artikel und Aufsätze Mouniers bald in Buchform erscheinen werden, denn das Beispiel von „Feu la Chretiente“ zeigt, welcher zeitlose Wert in

Verlangen Sie, bitte, die kostenlose Zusendung meines „Gelegenheitskaufprospekts“. Buchhandlung Wilhelm Herzog, Wien 6, Mariahilfor Straße 1. seinen Gelegenheitsschriften steckt: alle nämlich spiegeln nicht nur eine gegebene Lage wider, sondern vor allem einen hohen Geist, den Geist eines Wegweisers zur „Luce intel-lettual piena d'amore“, und geben deshalb sowohl dem Nichtgläubigen wie dem Gläubigen ein beherzigenswertes Beispiel.

Armand Jacob

Der Geist der mittelalterlichen Philosophie.

Von Etienne G i 1 s o n. Deutsche Fassung von Rainulf Schmüder. Thomas-Morus-Presse im Verlag Herder. Wien 1950. 467 Seiten.

Das Buch, eine souveräne Aufstellung der scholastischen Hauptprobleme im Dreieck der aristotelischen Vernunft, der christlichen Offenbarung und der Väter, liest sich, was augenblicklich seine Bedeutung ist, wie ein Kommentar zur Enzyklika „Humani generis“ Pius' XII., der in Fortsetzung der Pius IX., X. und XI. den Thomismus als die kirchliche Philosophie für die geistliche Schulung neuerdings bestätigte. Freilich steht dieser Philo-sophietypus, die „Scholastik“, im Interesse der Glaubenswahrheiten, infolge davon katholische Laien zur Ergänzung die Frage stellen, ob nicht auch eine christliche Philosophie im Interesse philosophischer Forschung möglich sei? Hiebei ist die Kernfrage die Grenze von Offenbarung und Vernunft, die neben Jacques Maritain auch Gilson als das Thema der katholischen Laienphilosophie begeht. Das Ergebnis ist: Die Offenbarung ist zwar keine Erzeugerin von Vernunft, wohl aber eine Mitgift, eine „Mithelferin der Vernunft“, sofern der Glaube eine negative Norm der Philosophie abgibt.

Univ.-Prof. Dr. August M. Knoll

Katholische Glaubenslehre, Einführung In des theologische Leben für weitere Kreise.

Von Daniel Feuling O. S. B. 3. Auflage. Otto Müller, Salzburg 1950. 964 Seiten.

Zwei große Verdienste hat das Buch: einmal das ganze Glaubensgut in großem Uberblick zusammenfassend darzustellen und das in neuen, den Zeitströmungen entsprechenden Fragestellungen, unter Weglassung der vor Jahrhunderten beliebten Kontroversen, zu bieten. Wertvoll ist der Hinweis des Autors auf seine „Hauptfragen der Metaphysik“, die eine philosophische Ergänzung und Unterbauung des vorliegenden Werkes bringen. So hat Feuling eine Zusammenschau der „Philosophie und theologia perennis“ geschaffen, die wie für den Laien so auch für den Priester von Nutzen sein wird. Es geht ihm um das Geheimnis von Wissen und Glauben natürlicher und übernatürlicher Erkenntnis. Die Verbindung von systematischer Klarheit und lebendigem Denken zeichnet ihn aus. Die Sprache ist wohl etwas schwierig und nicht so modern wie die Themenstellung, doch schadet es nie-andem, sich einmal in Glaubenssachen gründlich ; zu bilden, statt sein Glaubensleben nur auf Zeitungs- und Zeitschriftniveau einzustellen.

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