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Teilhard de Chardin

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DIE SCHAU IN DIE VERGANGENHEIT. Von Teilhard de Chardin. 4. Band der Werke, Otto-Walter-Verlag, Olten 1965, 398 S. — PIERRE TEILHARD DE CHARDIN, Briefe aus Ägypten 1905—1908, Vorwort von P. Henri de lubac, Karl-Alber-Verlag, Freiburg/ München 1965, 228 S. — INTERNATIONALE TEILHARD-BIBLIOGRAPHIE 1955—1965. Von Ladislaus Polgar. Karl-Alber-Verlag 1965, 94 Seiten, 9.50 DM. — MEIN WEG MIT TEILHARD DE CHARDIN, Forschungen und Erlebnisse. Von Helmut de Terra. C.-H.-Beck-Verlag, München 1962, 130 S. — TEILHARD DE CHARDIN, Lehre, Leben und Werk. Von August Ponschab. Verlag Josef Egger, Imst/Tlrol 1965, 59 Seiten, 42 S.

„Bestehen Sie hauptsächlich auf den tatsächlichen Beobachtungen. Die Wissenschaftler wollen lieber Tatsachen haben als persönliche Deutungen”, dieses Teilhard-Zitat, das de Terra aus einem unveröffentlichten Brief bringt, wird durch die fortlaufenden Veröffentlichungen von Teilhards Werken immer deutlicher belebt. Die meistgehörte Äußerung zu Teiilhard lautet ja, daß er ein genialer Interpret oder Visionär oder Dichter sei. Je nach Einstellung wird das dann als Lob oder Tadel gewertet. Helmut de Terra, der mit Teilhard auf Forschungsreisen ging, bezeugt nun, daß er ihn nie in der Rolle eines Predigers oder Propheten erlebt hatte, nie wirkte er aufdringlich moralisierend. Man solle sich da keinen falschen Vorstellungen „über die Gründlichkeit seiner fach- wiissenschaftlichem Forschungen” hingeben, „denn bei aller Tendenz zur Synthese, zur Einordnung von Tatsachen unter allgemeinere Begriffe und große Perspektiven bestand er immer auf Genauigkeit der Beobachtungen. In dieser Hinsicht zeigte er eine Sorgfalt, wie sie nicht kritischer gedacht werden kann”. Immer wieder wird Teilhard von Fachwissenschaftlern zur Beurteilung von Funden herangeholt, weil man seine Kenntnisse schätzt. Die Bewunderung de Terras für Teilhard hindert ihn dabei nicht, rein vom Wissenschaftlichen her kritische Akzente zu setzen. So ist dieser Bericht eines Reisebegleiters, so kurz er sein mag, doch isehir wertvoll. Das letzte der im Deutschen erscheinenden Werke Teilhards, der 4. Band „la vision du passe”, wie er im Französischen heißt, beweist ebenfalls die gründliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Problemen. Teilhard bestimmt hier genau, was er mit seinen Begriffen meint, wie er sie versteht, greift in Streitgespräche unter Wissenschaftlern ein und rechtfertigt schließlich auch seine besondere Sicht. Er fordert für sich das gleiche, was für jede wissenschaftliche Theorie gilt: den Zusammenhang der zu beobachtenden Fakten unter ein möglichst einheitliches Gesetz zu bringen, das dann auch fruchtbare Voraussagen für die Zukunft erlaubt. Er will unter seiner Theorie den Zusammenhang und die Abfolge der Phänomene, das Gesamt der Erscheinungen ins Blickfeld rücken. Einmal gegenüber einem Sichverlieren in Spezialdisziplinen, das vor lauter Bäume den Wald nicht mehr sieht, um dann zweitens den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Insofern der Mensch aus dieser Welt hervorgegangen und in dieser Welt geworden ist, kann keine Theorie und keine Naturwissenschaft, die sich die Wirklichkeit der Welt zur Aufgabe gestellt hat, ernstlich noch den Anspruch auf Objektivität erheben, wenn sie die Geistigkeit des Menschen in ihrer ganzen Wirklichkeit nicht in ihrer Schau der Welt einschließt. Die einen, die allzu einseitig Zoologen sind, lassen den Menschen im Tierreich versinken, sie sehen niir die Evolution. Die anderen, die Spiritualisten sind, isolieren ihn und machen ihn damit wurzellos. So muß der Versuch gewagt werden, um der Wissenschaft des Menschen und vom Menschen willen, aus einem methodologischen Ghetto herauszutreten und über spezielle Methoden und Fragestellungen hinaus, die in ihrem Bereich notwendig sind, das Gesamtphänomen nicht zu vernachlässigen; d. h. niemand, auch der Wissenschaftler nicht, kann sich vom Menschen dispensieren. Wenn auch Teilhard „die Schau in die Vergangenheit” benützt, um die Zukunft zu deuten, so spielt diese sicher problematische Zukunftsschau im vorliegenden Band kaum eine Rolle. Er breitet darin nur die Grundlagen, das Material aus, das er sich in gründlichem Studium erarbeitet hat, aus dem er dann in anderen Werken seine Zukunft des Menschen errichtet.

Auch der nun vorliegende Briefband beweist die wissenschaftliche Neugier und genaue Beobachtungsgabe Teilhards. Er umfaßt die frühesten Briefzeugnisse aus seiner Feder. Nach den philosophischen Studien war Teilhard, wie es in seinem Orden üblich ist, als Präfekt und Lehrer an ein Bubenkolleg nach Kairo gesandt worden. Von dort her schreibt er ausführliche Briefe, durchwegs an seine Familie, über die Seereise, die ersten Eindrücke von Ägypten und die zahlreichen Exkursionen. Nicht die einfühlsamen Beschreibungen seines Naturerlebens charakterisieren diesen Band so sehr als vielmehr seine Beobachtungen der Flora und Fauna, der geologischen und geographischen Daten, die er immer exakt zu bestimmen und festzuhalten versucht. Man sieht ihn hier über den Lehrberuf hinauswachsen und sich für das Leben eines Forschers entscheiden.

Die internationale Teilhard-Bio- graphie stellt eine längst fällige Arbeit dar, um sich in den unübersichtlich werdenden Veröffentlichungen über Teilhard schnell und richtig orientieren zu können. Im ersten Teil bringt sie seine Werke selbsl mit ihren verschiedenen Übersetzungen. Im zweiten Teil wird die Literatur zu Teilhards Werk gesichtet, Unbedeutendes, wie Zeitungsnotizen oder Rezensionen, wird weggelassen. Nur gründliche Arbeiten, in Form von Büchern oder Zeitschriftenartikeln, werden erwähnt, auch in ihren Übersetzungen. Und zwar in folgender Ordnung: allgemeine Einführun-i gen, biographische Schriften, Gesamtdarstellungen, theologische Studien, philosophische Studien, naturwissenschaftliche Studien, vergleichende Studien, Methodologie, Hilfsmittel, polemische Schriften. Außerdem werden zu Beginn jedes Kapitels präzise Erläuterungen gegeben. Endlich schließt noch ein Autorenverzeichnis die Bibliographie ab. Für jedes gründliche Studium in Fragen Teilhards wird sie also unentbehrlich sein. Die Bibliographie wird jährlich fortgesetzt. Bei dieser Gelegenheit möge noch ein kleineres österreichisches Werk Erwähnung finden, das aus persönlicher Bekanntschaft mit Teilhard entsprungen ist. Ponschab stand im Dienst des deutschen Auswärtigen Amtes und traf so in den Kriegswirren des fernen Ostens mit Teilhard in Peking zusammen, zu einer Zeit, als noch kein Werk Teilhards erschienen war. Durch Gespräche also lernte er zuerst die Welt Teilhards kennen. Jedes solcher Bücher aus lebendiger Begegnung rückt wieder einen neuen Gesichtspunkt in den Blick, das ist ihr Wert. Ein übersichtlich angelegter Lebenslauf, eine sehr popularisierte Darstellung der Gedankengänge Teilhards und eine gute kritische Auseinandersetzung im Kapitel „philosophische Konzeption” geben der Erscheinung ihre Eigenart.

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