Prophet des Leichtsinns

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ALEXIS SORBAS: EIN SCHELMEN-ROMAN VOLL ERFRISCHEND ANARCHISCHER LOGIK.

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ALEXIS SORBAS: EIN SCHELMEN-ROMAN VOLL ERFRISCHEND ANARCHISCHER LOGIK.

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Zwei Männer lassen sich auf ein Joint Venture ein. Der eine, der "Chef", gibt sein Kapital, der andere seine Erfahrung und Arbeitskraft. Am Schluss ist das Projekt der Ausbeutung einer Kohlenmine glorios gescheitert, und die beiden erfasst eine "erhabene, absurde, durch nichts zu rechtfertigende Heiterkeit":"Ich hatte mein ganzes Geld verloren, Arbeiter, Drahtseilbahn, Loren." Doch der Erzähler verspürt etwas wie Erlösung: "Als hätte ich in den harten und grässlichen Falten der Notwendigkeit einen Winkel entdeckt, in dem die Freiheit gelassen spielte."

Berühmter Grieche

Jetzt, da "die Griechen" zu den Prügelknaben Europas geworden sind, ist es an der Zeit, an den berühmtesten Griechen der modernen Literatur zu erinnern, der just für seinen Leichtsinn geliebt wird: Alexis Sorbas lacht über sein Unglück, er liebt das Leben, die Frauen, den Wein, den Tanz, die Musik, er hasst den Tod. Seinen Chef, den Schriftsteller, die "papierverschlingende Maus" bekehrt er nach und nach zu seiner Religion des Diesseits.

Nikos Kazantzakis' Roman "Leben und Anschauung des Alexis Sorbas", 1946 veröffentlicht, wurde zu einem eigenwillig antimodernen Schlüsselwerk des Existentialismus, das in seiner Wirkung die der Klassiker Camus und Sartre wohl noch übertraf. Auf Kazantzakis' Grab in Heraklion steht: "Ich hoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei."

Inbegriff kretischer Lebensart

Der Kreter Kazantzakis, einer jener Großen, die den Nobelpreis nicht bekommen haben, ein Jünger Nietzsches und zeitweilig Sozialist, porträtiert in dem Roman seinen verstorbenen Freund Georgios Sorbas, einen Makedonier, als Inbegriff kretischer Lebensart. "Alexis Sorbas" zeigt eine mörderische Männergesellschaft und ist zugleich ein Schelmenroman voll erfrischend anarchischer Logik. Schuld daran, dass Sorbas auf seiner Einkaufstour das ihm anvertraute Geld verjuxt hat, ist so die Mutter Gottes: "Sie hat den Sohn geboren, den Herrgott. Der Herrgott hat mich geschaffen und mir das Werkzeug mit auf den Weg gegeben, das du kennst. Dieses verwünschte Werkzeug ist schuld, daß ich die Besinnung verliere, sowie ich dem weiblichen Geschlecht begegne, und meine Börse ziehe."

Alexis Sorbas Von Nikos Kazantzakis. Deutsch v. Alexander Steinmetz. Rowohlt 2008.350 S., kart., € 10,30

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