Rätselhafte Innenwelten

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Dass Tiere Gefühle haben und diese auch zu kommunizieren wissen, ist ein Thema, das Forscher zunehmend begeistert. Nicht nur etwa Affen oder Hunde, auch Pferde sind hier offensichtlich zu einer relativ nuancierten Ausdrucksweise imstande. So beschrieben Wissenschafter der ETH Zürich in einer Studie, dass das Wiehern der Pferde zweistimmig ist: Die erste der beiden Grundfrequenzen gibt an, ob es sich um eine positive oder negative Emotion handelt; die zweite Frequenz, wie stark die jeweilige Emotion ist. Für Peter Wohlleben ist klar, dass es auch ein "Zärtlichkeitswiehern" gibt: "Wenn unsere ältere Stute Zipy mit uns schmust, gibt sie mit geschlossenem Maul ganz leise, hohe Töne von sich. Wir wissen dann, dass sie sich wohlfühlt und gerne bei uns ist, uns also ihre Emotionen 'verbal' mitteilt", so der Forstwirt in seinem Buch "Das Seelenleben der Tiere".

Darin verweist der deutsche Fachbuchautor auf jüngere Studienergebnisse und persönliche Erfahrungen, um "die einzelnen Puzzleteilchen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen". Und dieses Bild hat eine Botschaft, die auch in aktuellen Debatten zur Tierethik immer deutlicher zu vernehmen ist: Tiere sind demnach nicht dumpfe Bioroboter, die von einem fixen genetischen Code getrieben werden, sondern fühlende Wesen, deren Empfindungsfähigkeit sich nicht grundsätzlich von der des Menschen unterscheidet.

Trauernde Hirschkühe, scheinheilige Elstern

Die Leser werden dabei auf einen kurzweiligen Spaziergang durch das abenteuerliche Innenleben der unterschiedlichsten Arten mitgenommen. Und tatsächlich, Vieles spricht dafür, unsere tierischen Verwandten hier nicht zu unterschätzen: Man erfährt unter anderem von Hirschkühen, die trauern; Bienen, die räumlich zu denken vermögen; Raben, die sich beim Namen rufen; Ratten, die ihr Handeln bedauern; Hähnen, die ihre Hennen belügen, oder scheinheiligen Elstern, die ihren Weibchen Treue vorgaukeln und in Wirklichkeit gerne einen Seitensprung wagen. "Die Evolution hat 'nur' jeweils Vorhandenes umgebaut und modifiziert, ähnlich einem Computersystem", ist Wohlleben hinsichtlich der Wurzeln des menschlichen und tierischen Empfindens überzeugt. "Daher gibt es für mein Verständnis keine zweierlei Arten von Trauer, Schmerz oder Liebe."

Wie es tatsächlich um das tierische "Seelenleben" bestellt ist, bleibt freilich Spekulation. Wiewohl eine verbesserte Kommunikation mit den Tieren hier aufschlussreich sein könnte: Wäre es nicht viel einfacher, fragt der Forstwirt, wenn Menschen die Tiersprache lernen würden, anstatt umgekehrt Tiere mühsam auf menschliche Ausdrucksweisen zu trimmen? Nicht nur das Zweiton-Wiehern der Pferde könnten Computer übernehmen, die menschliche Anliegen vielleicht bald passend zu übersetzen verstehen.

Das Seelenleben der Tiere

Von Peter Wohlleben. Ludwig Verlag, 2016. 239 Seiten, geb., € 20,60

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