Schach ist mehr als das Spiel der Könige

Werbung
Werbung
Werbung

„Die Schachspielerin“ ist das Regiedebüt von Caroline Bottaro. Exzessiv reizt die französische Filmemacherin das Inszenierungspotenzial der Literaturvorlage von Bertina Henrichs aus.

Schach ist nicht nur das Spiel der Könige, sondern auch die Lieblingsbeschäftigung von Hélène: Nachdem das Zimmermädchen ein verliebtes Pärchen bei einer sinnlichen Schach-Partie beobachtet und die prickelnd-erotische Spannung auf sie überspringt, löst dies in ihr einen emotionalen Funkenflug aus. Statt kochen, waschen und putzen zählt für die frustrierte Ehefrau von diesem Augenblick an nur noch eines: spielbestimmende „Dame“ auf den 64 schwarz-weißen Feldern zu werden und dem monotonen Alltag zu entfliehen. Selbst das Unverständnis ihrer Familie über ihre neue Passion kann nicht verhindern, dass Hélène nicht nur am Spielfeld des Lebens neue Akzente setzt, sondern auch ihren Schachpartnern stets einen Zug voraus ist.

Exzessiv reizt Caroline Bottaro bei ihrem Regiedebüt das allegorische Inszenierungspotenzial von Bertina Henrichs’ Literaturvorlage „Die Schachspielerin“ aus: der Kampf um König, Dame, Turm und Co. dient nicht nur als Emanzipations-Metapher, sondern ist Ausgangspunkt eines doppelbödigen Kammerspiels, das die Parallelen zwischen der inneren und der (schach-)spielerischen Entwicklung der Hauptfigur zum sozialen Aufsteiger-Märchen stilisiert. „Dank ihrer Leidenschaft gelingt es dieser Frau aus bescheidenen Verhältnissen, alle individuellen und sozialen Grenzen zu überwinden. Sich selbst zu finden, liegt außerhalb jeder gesellschaftlichen Funktion und Identität“, beschreibt die in Deutschland geborene Filmemacherin Hélènes Metamorphose. Und tatsächlich streift das von Sandrine Bonnaire („Die Frau des Leuchtturmwärters“) einfühlsam verkörperte Heimchen am Herd Zug um Zug ihre Rolle als „unterprivilegierte“ Hausfrau ab und entdeckt in einem intellektuell-männlich geprägtem Denksport-Milieu ihr Frau-Sein neu. Dass Hélènes gesellschaftlicher Aufstieg eng mit Bonnaires eigenem Schicksal verbunden ist – aus bescheidenen Verhältnissen zu Erfolg und Anerkennung –, sorgt bei der Verkörperung ihrer Filmfigur zusätzlich für Authentizität.

Auf gewisse Weise schließe sich für sie mit dieser Rolle ein Kreis, meint die Aktrice: „Diese scheinbar einfache Geschichte erzählt eine Wahrheit des Lebens: unabhängig von der sozialen Herkunft und Erziehung kann man sein eigenes Schicksal ändern. Wenn man sich entscheidet, eine Leidenschaft zu verwirklichen, wird plötzlich alles möglich!“ Der Inszenierung selbst hätte weniger Pathos und Vorliebe für Sozial-Klischees zwar gut getan, der Eröffnungszug für eine viel versprechende Regie-Karriere ist Bottaro dennoch geglückt.

Die Schachspielerin („Joueuse“)

F/D 2009. Regie: Caroline Bottaro. Mit Sandrine Bonnaire, Kevin Kline, Francis Renaud.

Verleih: Filmladen. 97 Min.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung