"Schifahren muss wieder leistbar werden"

Werbung
Werbung
Werbung

Interview mit Hubert Siller, Professor für Unternehmensführung und Tourismus an der Uni Innsbruck, Leiter des Managementcenter Innsbruck im Bereich Tourismus.

DIE FURCHE: Werden wir in 20 Jahren noch Schnee haben?

Hubert Siller: Definitiv. Schnee ist der zentrale Stoff für Winterurlaub in den Bergen. Wir werden uns natürlich mit den Herausforderungen des Wetters und auch des Klimas beschäftigen müssen. Es herrscht Konsens in allen Studien, dass es in Zukunft wärmer wird, dass es im Laufe des Jahrhunderts in den Wintermonaten einen Temperaturanstieg von zwei Grad geben wird. Es ist eine bewältigbare Herausforderung, wie man es in den letzten Jahren bei außergewöhnlichen Wetterlagen gesehen hat. Es ist aber so, dass der Kunde gern Ende Oktober in den Winter startet und die entsprechenden Verhältnisse nicht gegeben sind. Oft ist es im März und April besser, wenn der Kunde schon wieder andere Interessen hat: Er will ans Meer, Golf spielen oder den Sommer begrüßen.

DIE FURCHE: Heißt das, die Schigebiete müssen noch höher hinauf, am besten auf die Gletscher?

Siller: Das würde ich so nicht sehen. Natürlich sind höhere Regionen im Vorwinter begünstigt. Zwar sind die Zukunftsmodelle nicht mit hoher Sicherheit ausgestattet, aber im Hauptwinter erwarten wir tendenziell mehr Niederschlag. Im Vorwinter ist auf der Höhe auch wegen der Temperaturen die Beschneiung einfacher. DIE FURCHE: Meine Nachbarin hat mit dem Schifahren aufgehört, weil zu viele Besoffene auf den Pisten unterwegs waren.

Siller: Das ist ein sehr spezielles Beispiel. Die Studien zeigen klar, dass das Spaßelement -speziell bei jüngeren Leuten -ein wichtiges Motiv ist. Dass Besoffene oder Leute, die sich nicht richtig verhalten können, andere gefährden, das ist eine Ausnahme. Das wird es geben, auch dass manche zu laut sind. Das ist ein Spaßelement, ein Erlebnis. Viel zu trinken, ist ein Randthema. Wir haben gesehen, dass solche Themen wie zuviel Alkohol in den Wahrnehmungen im Bereich von unter einem Prozent liegen.

DIE FURCHE: Auch brutale Fahrer?

Siller: Das ist eine andere Frage. Die breiten Pisten, die perfekt präpariert zum Carven einladen, führen dazu, dass manche über ihre Verhältnisse fahren und dadurch Unfälle verursachen. Man muss dem erlebnisorientierten Wintersportler sagen, dass man auch Verantwortung tragen muss, weil man nicht allein ist.

DIE FURCHE: Liegt die Zukunft in der Diversifizierung: Schneeschuhlaufen, Schiwandern ?

Siller: Die Zukunft ist das Thema Bewegung in winterlichen Landschaften. Eine Form ist der klassische Schisport. Eine andere, sich nordisch bewegen, sportlich spazieren, Schneeschuhwandern, die Nähe zur Natur spüren. Es ist belegt, dass die Halbwertszeit von Aktivität und Erholung in den Bergen viel höher ist, als wenn wir im Urlaub gar nichts tun und uns nur hinlegen.

DIE FURCHE: Schifahren ist im Vergleich zu früher viel teurer. Wer kann sich das noch leisten?

Siller: Die Leistbarkeit ist eine zentrale Herausforderung. Wir sehen in den USA, dass Schifahren zu einem exklusiven Lifestyle geworden ist. Hier haben wir viele Gäste aus Einkommensschichten, wo es sehr relevant ist, wieviel ein Schipass, eine Unterkunft für die Familie kostet. Deswegen brauchen wir Diversifikation. Wir brauchen ein breiteres Angebot. Der Premiumschilauf ist abgesichert.

DIE FURCHE: Es gibt immer weniger Schulschikurse. Hat der Alpentourismus ein Problem mit den Jungen?

Siller: Die berühmte Generation Z. Die Vielseitigkeit der Generation, wie sie mit allen digitalen Freizeitmöglichkeiten aufwächst, ist eine Herausforderung. Das Problem ist auch demografisch: Bis 2030 erwarten wir 8 bis 9 Prozent weniger Menschen im Segment der unter 20-Jährigen. Wenn gleich viele im Wintersport partizipieren, sind es dann also 8 bis 9 Prozent weniger, die sich wieder für Schnee und Winter begeistern. Es ist ein großer Schritt aus dem urbanen Raum in den alpinen Raum. Ob er gelingt, ist stark von der Familie mitgegeben. Die Bindung zum Schifahren entsteht in der Kindheit, danach kommen nicht mehr viel dazu.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung