Schlechte Aussicht für Menschlichkeit

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Tiroler Landestheater, Innsbruck

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Tiroler Landestheater, Innsbruck

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Wieder einmal - wie so oft bei Ödön von Horvath, dem Urösterreicher - trügt der Titel des Stückes: "Zur schönen Aussicht", so heißt eine abgewirtschaftete, spärlich frequentierte Absteige, die ihrer makabren Besatzung und auch dem Publikum in den Innsbrucker Kammerspielen bitterböse, bizarr-satirische Einblicke ins Allzu- Unmenschliche bietet. Ein unbarmherziges, "neoveristisches" Stück Leben, geholt aus dem zynischen Weltschmerz Horvaths und der sozialen Situation der Zwischenkriegszeit um 1926 mit ihrer durch Dauerarbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen zermürbten, verlotterten Gesellschaft - verzerrt ins Karikaturhaft-Tragische.

Ein ungustiöser Kellner mit verdrecktem Außen- und Innenleben (Walter Ludwig: echt gut, der Typ!), ein linker Prolo mit Zuchthausbiografie (Reinhard Forcher), ein abgebaggerter, adeliger Alt-Bubi mit massiven Finanzproblemen (Günter Lieder), eine alkogetränkte Baronin mit dringlichen Wolllust-Bedürfnissen (Johanna Lindinger, der Superstar des Abends!), ein abgehauster Hotelbesitzer und Herzensbrecher ohne Herz (Matthias Ch. Rehrl), ein dubioser Geldeintreiber ohne Geld (Günter Gräfenberg). Und alle ganz ohne Skrupel, wenn es gilt, die naiv-schwärmerische Christine (Judith Keller) - eine der wenigen, vage erfreulichen Typen im Horvathschen Fegefeuer - mit Gewissenlosigkeit, Brutalität und verlogener Schäbigkeit zu quälen und auszubeuten.

Klaus Rohrmoser inszeniert in einheitlichem, ökonomischen Stilwillen ein brillant geschauspielertes, grelles Witzfeuerwerk. Eine Tragikomödie von erschütternder Aussichtslosigkeit im Hotel "Zur schönen Aussicht"; wenn sich auch die letztlich ernüchterte Naive vor ihrer Verbrennung im Höllenfeuer der Gemeinheiten gerade noch retten kann. Bravo!

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