Spezialist des Skurrilen und Schrillen

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Er fotografiert gerade so wie ein unbedarfter Amateur. Aber eben doch anders. Das Kunst Haus Wien ehrt den weltberühmten Magnum-Fotografen Martin Parr mit der aktuellen Ausstellung "A Photographic Journey".

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Er fotografiert gerade so wie ein unbedarfter Amateur. Aber eben doch anders. Das Kunst Haus Wien ehrt den weltberühmten Magnum-Fotografen Martin Parr mit der aktuellen Ausstellung "A Photographic Journey".

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Der offizielle Teil der Pressekonferenz war vorüber, doch für Martin Parr ging die Arbeit weiter. Da noch ein kurzes Interview für einen Fernsehsender, dort ein freundliches Lächeln für den Fotografen. Parr machte alles geduldig mit. Ist eben ein netter Mensch. Doch machte er es auch gern? Diesen Eindruck gewann man nicht gerade.

Mit seiner aktuellen Ausstellung "A Photographic Journey" feiert das Kunst Haus Wien einen der ganz Großen der Fotografie, Martin Parr, 1952 geboren in Epsom, einer Vorstadt von London. Sandalen und ein rosafarben gestreiftes Hemd. So präsentiert sich der weltbekannte Künstler. Andere Fotografen favorisieren das in Künstlerkreisen obligate Schwarz, Parr dagegen mag es bunt. Genau wie in seinen Fotoarbeiten.

Gehe in die Tiefe! Vermeide einfache Schwarz-Weiß-Zeichnungen! Differenziere! Diese Empfehlungen an Kunstschaffende beanspruchen allgemeine Gültigkeit. Und gerade sie schlägt Parr mit Lust und Verve in den Wind, nun schon seit 40 Jahren.

Deutlich wird das wieder einmal bei seiner aktuellen Serie "Cakes & Balls", die er eigens für diese Ausstellung gemacht hat. Zwei Mal reiste er nach Wien, im September 2015 und im Februar 2016, um die Hauptstadt in einer Bilderfolge festzuhalten. Und was zeigt er? Ein älteres Ehepaar, das in einer Kleingartensiedlung stolz und stramm vor seinem Holzhaus Aufstellung genommen hat. Ein über den Tellerrand ragendes Wiener Schnitzel. Zwei im Gänsehäufel auf Liegen ausgestreckte Badebesucher. Knipsende Besucher im Stephansdom. Ballbesucher.

Hier hat sich nicht jemand auf die Suche nach den weniger bekannten Seiten von Wien gemacht. Nein, er war auf Klischees aus - und fand sie. Sein Sujet, betont Parr, ist die Oberfläche.

Darf man so arbeiten? Natürlich! Sind es gute Bilder? Ja, wenn man als Kriterium zugrunde legt, dass sie den Betrachter nicht gleichgültig lassen - und das ist der Fall, zuverlässig provozieren sie ein Schmunzeln.

Leuchtende Farben

Parrs jüngste Wien-Bilder unterscheiden sich in Macharbeit und Charakteristik nicht von jenen, die er seit 1982, seit seinem Umstieg auf Farbe, gemacht hat und die in der Ausstellung in insgesamt dreizehn Werkkomplexen vorgestellt werden. Immer sucht Parr das Skurrile und Schrille. Er findet es im Supermarkt oder auf Partys der Schönen und Reichen. Oder am englischen Badestrand, auf der einen Seite das Meer, auf der anderen Industrieanlagen und Müll.

In Parrs Bildern leuchten die Farben. Sie erhalten damit etwas Schreiendes, Aufdringliches. Nicht very british. Den Effekt erzielt der Fotograf, indem er seine Motive anblitzt. Ein Stilmittel, das in der professionellen Fotografie verpönt ist. Wenn Aufhellung, dann dezent-weiche, mit einem Reflektor. Parr hingegen setzt auf hartes Licht, mit der Folge, dass Schatten verloren gehen und das fertige Bild flach wirkt.

Mit anderen Worten: Parr fotografiert gerade so wie ein unbedarfter Amateur. Bei ihm stecken freilich Überlegung und Absicht dahinter. Für ihn sind Fotoregeln dazu da, um gebrochen zu werden. Und tatsächlich: Mit seiner unverwechselbaren Handschrift hat er es zu Bekanntheit und Ruhm gebracht.

Nichts als die Wirklichkeit?

Darf man Menschen auf den Fotos dem Gelächter preisgeben? Diese Frage tauchte bei der Pressekonferenz auf. Er, antwortete Parr, inszeniere ja nichts, schon gar nicht manipuliere er seine Fotos. Nichts als die Wirklichkeit gebe er wider, abseits von geschönten Aufnahmen. Und was er damit bezwecke? Erst einmal nichts weiter, er zeige nur, was Sache ist. Die Interpretation und mögliche Schlussfolgerungen überlasse er dem Betrachter. Sagte Parr, höflich, aber auch recht lakonisch. Müde wirkte er dabei, kein Wunder, es sind die immer gleichen Fragen, die er nun schon seit Jahrzehnten beantworten muss. Nur dass er heute niemandem mehr etwas beweisen muss. 1994 löste die Frage noch heftigste Diskussionen aus, ob er, Parr, mit seiner eigenwilligen Bildsprache in die traditionell gesellschaftskritisch ausgerichtete Fotoagentur Magnum aufgenommen werden sollte - heute ist er deren Präsident.

Martin Parr: A Photographic Journey

bis 2. Nov. 2016, tgl. 10-18 Uhr Kunst Haus Wien www.kunsthauswien.com

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