Starke Frauen und Hallodris

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Haifaa al-Mansour hat bereits Geschichte geschrieben: Der Film "Das Mädchen Wadjda" aus dem Jahr 2012 war der erste Spielfilm überhaupt, der aus Saudi-Arabien kommt. Die grandios erzählte Geschichte eines Mädchens, das sich ein Fahrrad wünscht -was in der erzkonservativen Männergesellschaft des Landes verboten ist -war berührend und befreiend zugleich. Auf den ersten Blick war aber nicht zu erwarten gewesen, dass sich die Saudi-Arabische Filmemacherin nun einem Kostümfilm klassisch-europäischer Provenienz verschreibt: Denn "Mary Shelley", das Biopic über die britische Schriftstellerin der Romantik und Autorin des Romans "Frankenstein", scheint thematisch weit weg von den Problemen im Saudi-Arabien der wahhabitischen Gegenwart. Auf den zweiten Blick erschließt sich wohl die Verwandtschaft der Stoffe: Ging es in "Das Mädchen Wadjda" um die Ermächtigung von Frauen in einer repressiven Gegenwart, so ist Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851) eine jener Frauen, die im 19. Jahrhundert Wesentliches für die Frauenemanzipation geleistet haben. Als Tochter der frühen Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft und des frühsozialistischen Philosophen William Godwin wuchs Mary, nach dem Tod der Mutter im Kindbett, in einer schon gespannten familiären Situation auf, vor allem die Beziehung zur Stiefmutter war alles andere als friktionsfrei. Mit 17 schrieb sie ihren ersten Roman und verliebte sich in den -verheirateten -Dichterstar Percy Bysshe Shelley, mit dem sie durchbrannte und den sie später auch heiratete. Im Kreis um Lord Byron lebend und von ihrem Hallodri von Mann jedenfalls ausgenutzt, konnte sie 1818 ihren Roman "Frankenstein" zunächst nur anonym veröffentlichen, weil Derartiges für eine Frau als unschicklich galt. Mit dem Urtext vieler Dramatisierungen und Verfilmungen gilt Mary Shelley auch als Mutter der Science Fiction. Regisseurin al-Mansour bearbeitet den Stoff in "Mary Shelley" überraschend konventionell: Ein klassisches Lebensdrama einer starken Frau, die sich gegen Widerstände durchsetzen muss in ebenso klassischer Kostümierung. Eigentlich geht es im Film mindestens so um Percy Bysshe Shelley wie um seine Geliebte und spätere Frau. Insofern ist der Titel ein wenig irreführend. Aber als Zeugnis widerständiger Leben zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der auch von literarischem Urgestein erzählt -Marys Roman(e) waren für die Weltliteratur ebenso wichtig wie Percy Bysshes Gedichte -hält dieses Biopic sehr wohl her. Und es überzeugt durch die Darstellung der weiblichen Protagonistinnen: Elle Fanning, 20-jähriger Shootingstar in Hollywood, gelingt es, der Gestalt der Mary Shelley großes Filmleben einzuhauchen (vgl. das nebenstehende Interview). Ihr ebenbürtig ist Joanne Froggat in der Rolle der Halbschwester Claire Clairmont, die mit Mary Shelley und deren Geliebten Percy ausreißt und gleichfalls dem Kreis um Lord Byron, von dem sie eine Tochter bekommt, angehört. Bei den Männern sticht Stephan Dillane als Marys Vater William Godwin hervor, während die jungen Herren -Douglas Booth als Percy Bysshe Shelley und Tom Sturridge als Lord Byron -vergleichsweise blass bleiben. Alles in allem ein ordentlich verfilmtes Biopic, das auch den Zeitkolorit nachvollziehbar einfängt und Leben auf der Leinwand erstehen lässt, die hierzulande wenig bekannt sind. Dass man von Haifaa al-Mansur aber etwas weniger Konventionelles erhofft hat, steht auf einem anderen Blatt. (Otto Friedrich)

Mary Shelley GB/IRL/L 2017. Regie: Haifaa al-Mansour. Mit Elle Fanning, Dougals Booth, Tom Sturridge, Bel Powley, Stephan Dillane. Polyfilm. 120 Min. Bereits im Kino.

ein historisches Kostüm anhat, verhält man sich anders und nimmt eine besondere Haltung ein. Das wirkt sich auf die eigene Spielweise, aber auch auf die Dreharbeiten insgesamt aus. Bestimmte Bewegungsabläufe kann ich natürlich auch in Jogginghosen proben. Am Set aber hindert mich das Korsett daran, meinen Körper zu beugen und zu strecken, wie ich will. Und das bringt mehr Authentizität in die Rolle, weil es damals auch so war.

DIE FURCHE: Wenn man in diesem Business groß wird, wirkt man automatisch reifer, finden Sie nicht?

Fanning: Das kann sein. Ich war schon immer mit allem früher dran. Ich begann früher mit dem Sprechen als andere Kinder, auch früher mit dem Gehen. Das liegt wohl in meiner Natur. Und hinzu kommt, dass meine Eltern beide wirklich groß sind. Deshalb bin auch ich größer als die meisten.

DIE FURCHE: Mit 12 spielten Sie in Sofia Coppolas "Somewhere" und waren auch bei der Premiere in Venedig dabei. Unglaubliche Eindrücke für ein so junges Mädchen, oder?

Fanning: Ja, natürlich, es war sehr aufregend. Ich bin ja eigentlich deshalb vor der Kamera gelandet, weil meine Schwester Dakota auch Filme machte, und man mich im Alter von zwei Jahren in "I Am Sam" als eine jüngere Version von Dakota besetzte, was ich natürlich nicht wirklich mitgekriegt habe, aber später war ich schon sehr fasziniert von dieser Welt der Schauspieler. Für mich gab es nichts anderes, und ich wollte auch vor der Kamera stehen.

DIE FURCHE: Was ist eigentlich das Besondere am Schauspielerberuf?

Fanning: Dass man Personen und Persönlichkeiten spielen kann, von denen man im echten Leben kilometerweit entfernt ist. Dass man sich so verhält wie jemand anders, in

fremde Körper eintaucht, das ist ein unglaubliches Erlebnis.

DIE FURCHE: Welchen Rat würden Sie anderen jungen Schauspielern geben?

Fanning: Mich haben schon sehr viele Freunde nach Ratschlägen gefragt, und ich sage immer: Stelle dir die Frage, ob du dich diesem Beruf voll und ganz hingeben willst. Wenn die Antwort "Ja" lautet und du diesen Beruf unendlich liebst, dann spricht nichts dagegen, es zu versuchen. Zugleich ist es wichtig, am Boden zu bleiben. Wenn man Erfolg hat, dann wird man auch angreifbar. Die sozialen Medien stürzen sich auf dich. Da muss man stark bleiben und die Erdung suchen.

DIE FURCHE: Deshalb sind sie bis heute nicht auf Twitter &Co.?

Fanning: Ich wüsste gar nicht, was ich in sozialen Medien schreiben sollte, also lasse ich es lieber bleiben.

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