Symbolfigur der deutschen Wiedervereinigung

Werbung
Werbung
Werbung

Er errang größte Popularität, als er im Oktober 1989 mit seinem Aufruf "Keine Gewalt" wesentlich zum friedlichen Verlauf der Leipziger Massenproteste gegen die SED, die Staatsmacht der DDR, beitrug: der Dirigent Kurt Masur. Als Symbolfigur der deutschen Wiedervereinigung wurde er kurz nach der Wende sogar als Kandidat für das deutsche Bundespräsidentenamt gehandelt, doch Masur lehnte ab, um sich wieder ausschließlich der Musik zu widmen - allerdings nicht ohne auch weiterhin seine Stimme in politischen Fragen zu erheben; erst vor wenigen Wochen hat Kurt Masur wieder vor dem Vergessen der Leipziger Ereignisse von 1989 und vor rechtsextremem Gedankengut gewarnt: "Freiheit besteht mitunter auch darin", so der Dirigent, "mit weniger Geld, Luxus und unter Umständen mit Arbeitslosigkeit auszukommen."

Er spricht aus Erfahrung, denn sein Aufstieg zur Weltelite der großen Dirigentenpersönlichkeiten unserer Zeit war im Korsett der politischen und gesellschaftlichen Zwänge der DDR keineswegs ein leichter: Im Juli 1927 im schlesischen Brieg geboren und nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs in Leipzig ausgebildet, diente er sich als Korrepetitor und Kapellmeister in Halle/Saale, Erfurt, Schwerin, Leipzig und an der Komischen Oper von Berlin langsam empor, bevor er von 1967 bis 1972 die Dresdner Philharmonie als Chefdirigent übernahm.

Triumphale Erfolge bei hart erkämpften Auslandsgastspielen ab 1964 machten ihn mit einem Mal für die DDR interessant - er wurde zu einem Aushängeschild des SED-Staates, vor allem als er 1970 zum Gewandhauskapellmeister ernannt wurde und auf Konzerttourneen die enorme künstlerische Qualität des Klangkörpers in aller Welt präsentierte.

Seine dadurch gestärkte Position wusste der Maestro schon damals für künstlerische Ziele zu nutzen: er setzte den Bau des neuen Gewandhauses in Leipzig durch (Eröffnung 1981), nachdem das Orchester seit der Zerstörung 1943 ohne eigene Spielstätte war.

27 Jahre, bis 1997 war Kurt Masur Chef des berühmten Leipziger Gewandhausorchesters (sein unmittelbarer Nachfolger, der schwedische Dirigent Herbert Blomstedt, feiert ebenfalls dieser Tage seinen 80. Geburtstag), war zudem von 1991 bis 2002 Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra, steht seit 2000 als Musikdirektor an der Spitze des London Philharmonic Orchestra und hat dazu auch noch seit 2002 die Leitung des Orchestre National de France inne.

Was ihn in all diesen Funktionen ausgezeichnet hat und sein künstlerisches Wirken noch immer prägt, sind künstlerischer Ernst, die Abneigung gegen Showeffekte und der Verzicht auf Neuerungen um jeden Preis. Kurt Masur ist kein exzentrischer Taktstockvirtuose, sondern ein Dirigent, für den Disziplin, Tradition und der Dienst am Kunstwerk an erster Stelle stehen - blendende Virtuosität und Zugeständnisse an die Tagesmode sind seinen Interpretation fremd - maßgebliche Aufnahmen, die gleichzeitig die enorme Bandbreite von Kurt Masur demonstrieren, belegen dies.

Seinen 80. Geburtstag - am 18. Juli - feiert Kurt Masur dirigierend in der Royal Albert Hall in London, nachdem ihn New York schon im Februar und seine künstlerische Heimatstadt Leipzig, deren Ehrenbürger er 1989 geworden ist, bereits vor einem Monat gefeiert haben. Michael Blees

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung