Über die Brücke ins Landhaus

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Der junge Burgenländer Franz Gyolcs nimmt sich als politischer Künstler der Leidenden an.

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Der junge Burgenländer Franz Gyolcs nimmt sich als politischer Künstler der Leidenden an.

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An und für sich wäre Andau ein verschlafenes Dorf im tiefsten Seewinkel des Burgenlandes, wenn es da nicht diesen Bildhauer, diesen Franz Gyolcs gäbe, der seit einigen Jahren immer wieder für Aufregung sorgt: Begonnen hat es 1992, als er erstmals in Erinnerung an die "Brücke von Andau" ein gleichnamiges Symposion initiierte. Diese Brücke über den Einserkanal ermöglichte vor ihrer Sprengung im Jahr 1956, als in Ungarn der Aufstand gegen den Kommunismus brutal niedergeschlagen wurde, Zehntausenden die Flucht in die Freiheit. - Franz Gyolcs wollte, indem er seit 1992 jedes Jahr internationale Künstler zur gemeinsamen Arbeit in Andau versammelte, ein Zeichen setzen und hoffte, die Brücke wieder errichten zu können. Anfangs wurde das Ansinnen der Künstler - ungeachtet der Anteilnahme renommierter ausländischer Medien - ignoriert. Allmählich aber erschien es im Zeichen von "political correctness" opportun, die Brücke im Jahr 1996 wenigstens vom österreichischen Bundesheer erbauen zu lassen. Gyolcs ist dennoch enttäuscht, da die Brücke bis heute nicht benutzt werden darf und sich der Brückenschlag somit nicht bewahrheitet hat. Deshalb überlegt er, die insgesamt 90 Objekte auf österreichischer und ungarischer Seite wieder entfernen zu lassen.

Franz Gyolcs, 1960 in Andau geboren, hat zunächst das Handwerk des Steinmetzen erlernt, "weil man bei uns sonst nur Mechaniker oder Maler lernen konnte". In Wien "am Bau" beschäftigt, besuchte er abends die künstlerische Volkshochschule Lazarettgasse, um sein "G'spür für Formen" zu vertiefen. - Von 1989 bis 1994 schließlich studierte er bei Alfred Hrdlicka an der Hochschule für Angewandte Kunst. Das Diplom folgte 1995 bei Michelangelo Pistoletto mit der monumentalen Figurengruppe "Die 7 Könige".

Gyolcs liebt das Experimentieren mit Materialien und Formen. Er arbeitet sowohl figurativ als auch abstrakt, in Stein und Holz (das er mit der Motorsäge bearbeitet) ebenso wie mit Metall oder Glas. Er möchte sich nicht auf eine künstlerische Richtung festlegen lassen. Nur was die Aussage betrifft, "legt er sich eine Spur". Denn Inhalt ist das, worauf es ihm in seiner Arbeit ankommt, zumal, seiner Meinung nach, die junge Künstlergeneration allzu Gefälliges produziere und an politischer Kunst nicht interessiert sei. Entscheidend für den Weg, den ein Künstler einschlägt, sei aber das "Aufwachsen". Gyolcs' Arbeiten sind persönlich motiviert und kreisen oft um die Thematik des Leidens, der Armut, des Verfolgtwerdens. So auch der "Heilige Martin", eine Skulptur, die seit November 1997 im Landhaus in Eisenstadt aufgestellt ist: "Wenn das ein Heiliger Georg gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich nicht mitgemacht. Der Martin ist für mich nicht nur eine religiöse Figur, sondern ein Symbol, eine Art Robin Hood."

Verschmitzt lächelnd bezeichnet Gyolcs "seinen Martin" als "Trojanisches Pferd": In der Mittelsäule der als abstrahierter Mantel zu denkenden Metall-Skulptur sind Bilder aus dem Archiv der Caritas in mehreren Schichten auf Glasplatten montiert. Diese Bilder, die die fünf Kontinente symbolisieren, irritieren von der Ferne und erschließen sich nur bei näherer Betrachtung, sodaß wer hier im Landhaus zu tun hat, nicht leichtfertig vorübereilen wird.

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