Und wenn sie nicht geschwiegen hätte …

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Franzobels "Prinzessin Eisenherz" wurde am Grazer Schauspielhaus uraufgeführt. Regie führte Georg Schmiedleitner - er inszenierte die wahre Geschichte der Milli Deutsch.

Man gewöhnt sich auch an die Angst" - dieses Bekenntnis der heute 88-jährigen Milli Deutsch wird zum Drehpunkt in der von Franzobel verfassten Lebensbeichte einer mutigen Frau. Eineinhalb Jahre lang hat sie eine von den Nazis gesuchte Freundin in ihrer Eisenerzer Wohnung versteckt. Dass später auch noch zwei Partisanen hinzukommen und eine Hitler treue, hochschwangere Berlinerin als Untermieterin vorbeischneit, machten die gefährliche Lage noch schwieriger.

Aber erst 60 Jahre später hat Milli Deutsch ihr Schweigen gebrochen. 2006, nach der Premiere von Franzobels Widerstandssatire "Hirschen" in Graz (DIE FURCHE 49/06), meldete sie sich zu Wort. Franzobel hat ihre Berichte von damals aufgenommen, mit historischem Material angereichert und in bewährt trashiger Manier fertiggestellt - das Ergebnis ist "Prinzessin Eisenherz".

Um sie dreht sich dann auch alles. Wie eine überdimensionale Spieluhr (Bühnenbild: Stefan Brandtmayr) bewegt sich 1944/45 das Leben im steirischen Eisenerz mit seinen Nazis, seinen Partisanen und seiner unschuldigen "Prinzessin Widerstand", den Betten, in denen Führerkinder herausgepresst werden, den Stühlen und Tischen, auf denen keiner mehr Platz nimmt, aus Furcht, überrascht zu werden. Auch die Angst dreht sich mit, die an den steif gewordenen Gliedern klebt, in der Seele kniet und irgendwann auch jenen im Nacken sitzt, die jahrelang Angst und Schrecken verbreiteten.

Phonetische Völlerei

"Manchmal, wenn ich mich frage, wie die Hölle ist, dann sagt mein Kopf, wie hier." Also ehrlich, Franzobel, davon war hier wenig zu spüren. Und das nicht, weil der österreichische Fabulierkünstler nicht die Balance halten konnte zwischen sehr grässlich und sehr komisch.

Franzobel hat sich auch diesmal nicht der phonetischen Völlerei enthalten und türmte auch für diese Geschichtsdokufiktion seine irrwitzigen, kaustischen Textgebilde zu einem barocken Sprachhimmel auf, zu dem wir emporschauen können. Hier war die Hölle nicht, weil sie durch den Dramatikerschlund in ein Märchenland ohne Überhänge gehoppelt ist. Franzobels Sprache hat sich ganz offensichtlich vor dem "Riesen Betroffenheit" davongeschlichen.

Zwischen Dokumentation und Unterhaltung

Nun spielt sie uns einfach etwas vor. Halbwegs orientierungslos wirkt dabei auch Georg Schmiedleitners Regie. Er wankt zwischen feinsinniger Dokumentation und greller Unterhaltung. Kein Wunder also, wenn auch die Darsteller immer wieder verloren wirken: Verena Lercher als Milli vermag kein Wässerchen zu trüben. Sebastian Reiß und Seraphine Rastl als regimetreue Schwiegereltern spielen die gehörnten Monster. Die Widerständler (Susanne Weber, Gerhard Liebmann, Alexander Rossi) bleiben auf ausgetretenen Irrwegen zurück. Thomas Frank als Nazihebamme verhilft vor allem flotten Sprüchen auf die Welt: "Groß ist nur das Reich, nicht der Schmerz." Es gibt einen Imperativ von Ludwig Wittgenstein: Spiele nicht mit den Tiefen des Anderen! Also ehrlich, an die Angst werden wir uns nicht gewöhnen dürfen, und für Milli Deutsch gab es zu Recht am Ende des Abends Standing Ovations.

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