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"Medea" als Clash der Kulturen im Wiener Schauspielhaus.

Auf hohem künstlerischen Niveau, wohltuend den Text respektierend, politisch nicht korrekt: Mit Euripides' "Medea" feierte die neue Leitung des Wiener Schauspielhauses - Airan Berg und Barrie Kosky - ihren gelungenen Einstand. Kosky inszenierte einen Zusammenprall der Kulturen in einer Welt der Migration - und obwohl die Kindesmörderin eine Migrantin ist, entschuldigt er sie weder, noch heischt er um Verständnis: Die Kolcherin, beeindruckend verkörpert von der kroatischen Schauspielerin Melita Jurisic, ist das rätselhafte, monströs personifizierte Fremde. Überall, wo sie in der Vergangenheit Zuflucht fand, verstieß sie gegen fundamentale Regeln. So auch im etwas heruntergekommenen Ballsaal Österreich, in dem die dekadenten Frauen von Korinth zu Melodien von Lehár und Strauß tanzen und singen. Jason (Hans Piesbergen) hat sie verlassen, denn er will Wohlstand und Karriere und passt sich - im eleganten Frack - der Kultur seines Gastlandes an, Medea jedoch verwirft die westliche Lebensart mit ihren Regeln für den zivilisierten zwischenmenschlichen Umgang und übt bestialische Rache für den Verrat.

Kosky hält sich in seiner Inszenierung an die ausgezeichnete Prosafassung von Susanne Wolf, verzichtet zum Glück auf jegliche Dekonstruktion. Dadurch dass Jurisic ihren Text oft auf Kroatisch spricht, verdichtet sich das intensive und erschreckende Erleben des Fremden. Unheimlich und faszinierend zugleich ist ihre Begegnung mit Ägeus (Davis Oladeji Nejo), Angehöriger des afrikanischen Kulturkreises, der Medea Asyl in seiner Heimat anbietet. Viel Musik - Kosky selbst sitzt am Harmonium - und beunruhigende Geräusche, die den winzigen Theaterraum zum Vibrieren bringen, tragen das ihre dazu bei, dass sich dieser Abend und seine tabubrechenden Grundideen tief in die Erinnerung eingraben.

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