Variationsreiches Spiel auf mehreren Ebenen

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Österreichische Erstaufführung von "33 Variationen“ von Moisés Kaufman in einer Inszenierung von Stephanie Mohr am Volkstheater. Im Mittelpunkt steht Beethovens letzte große Klavierschöpfung, um die sich Anekdoten und Widersprüche ranken. Das kurzweilig gestartete Stück weicht aber gegen Ende einem übereifrigen Lehrstück über Musikgeschichte.

Musikliebhabern und emsigen Klavierschülern sind die "Diabelli-Variationen“ von Ludwig van Beethoven sicher bestens vertraut. Eine einfache Walzermelodie des Musikverlegers Anton Diabelli inspirierte Beethoven zu 33 raffinierten Abwandlungen - den "33 Variationen“. Sie sind die letzte große Klavierschöpfung Beethovens, rund um ihre Entstehungsgeschichte ranken sich noch immer zahlreiche Anekdoten und Widersprüche.

Erfolgshit am Broadway

Der südamerikanische Film- und Theaterautor Moisés Kaufman hat aus dieser Geschichte einen musikwissenschaftlichen Kriminalfall gemacht, der - dank Jane Fonda in einer der Hauptrollen - 2009 zum preisgekrönten Erfolgshit am Broadway avancierte. Kaufman verbindet Beethovens Schaffen in Wien um 1800 mit aktuellen Forschungen über Leben und Werk des Musikgenies. Einem amerikanischen Theaterpublikum wird so in leicht verdaulicher Weise und mittels klischeehafter Verdichtung europäische Kultur- und Musikgeschichte nahegebracht.

Stephanie Mohr hat die "33 Variationen“ nun für das Wiener Volkstheater inszeniert. Maria Bill spielt darin die New Yorker Musikwissenschafterin Katherine Brandt, die sich im Bonner Beethoven-Archiv auf Spurensuche begibt. Im Wien des frühen 19. Jahrhunderts arbeitet Beethoven (verrückt-verschroben gespielt von Günter Franzmeier) unterdessen an der Vollendung seiner Kompositionen.

Beide verbindet eine fast manische Arbeitswut, aber auch das Schicksal einer todbringenden Krankheit. Während Brandt mehr und mehr ihre Muskelkraft verlässt, verliert Beethoven sukzessive sein Gehör.

Auf der Bühne des Volkstheaters wird die obsessive Arbeit Beethovens an den Diabelli-Variationen in einer fast filmischen Montageform den unermüdlichen Forschungen Katherine Brandts gegenübergestellt. Etwa wenn Beethoven seine Kompositionen niederschreibt und parallel dazu Brandt diese Notenblätter im Archiv studiert. Teilweise sind die verschiedenen Handlungsstränge zeitgleich auf der Bühne zu sehen, teilweise werden sie im schnellen Tempo aneinandergereiht. Dadurch entsteht ein variationsreiches Spiel, das auf mehreren Zeit- und Raumebenen stattfindet. In Wien versucht Beethovens diensteifriger Gefolgsmann Anton Schindler den ungeduldigen Diabelli (wunderbar gespielt von Marcello de Nardo und Erwin Ebenbauer) zu vertrösten. In Bonn versucht Brandt die sorgenvollen Telefonanrufe ihrer Tochter (eine etwas zu heitere Andrea Bröderbauer) abzuwimmeln, während diese in New York eine zarte Liebesgeschichte mit dem Krankenpfleger ihrer Mutter (Till Firit) beginnt.

Rasanter Inszenierungsstil

Zusammengehalten werden die verschiedenen Ebenen durch das gefühlvolle Klavierspiel von Akiko Yamada, die am Konzertflügel das Bühnengeschehen musikalisch begleitet - sie ist zu Recht die meist umjubelte Künstlerin des Abends.

Gewitzte Dialogführung und ausgefeilte Figurenzeichnungen sind nicht die Stärke Kaufmans, auch die deutsche Übersetzung von Boris Priebe und Bastian Häfner kann daran nicht viel ändern. Diese Schwächen sind durch den rasanten Inszenierungsstil im ersten Teil aber kaum bemerkbar. Nach der Pause werden die zuvor kunstvoll verschachtelten Handlungsstränge aber nur mehr konzeptlos aneinandergereiht. Das hat zur Folge, dass sich im zweiten Teil die historischen Szenen zur Slapstick-Komödie hocharbeiten, während die letzten Lebensstunden Katherines zum langatmigen Rührstück geraten. In einer finalen Traumszene treffen Forscherin und Beforschter zusammen, das Geheimnis um die Faszination von ein paar einfachen Walzertakten wird gelüftet: Einem kurzen Moment Walzerglückseligkeit sollte durch unzählige Variationen immer wieder von Neuem Leben eingehaucht werden.

Das kurzweilig gestartete Stück weicht gegen Ende einem übereifrigen Lehrstück über Musikgeschichte. Der gefällige Applaus zum Schluss wäre zur Pause sicher begeisterter ausgefallen.

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