Vorsicht Amtsdeutsch!

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Der Müllcontainer einer deutschen Autobahnraststätte ist laut Hinweistafel nur für Reiseabfälle vorgesehen: "Zuwiderhandlung wird als missbräuchliche Verwendung zur Anzeige gebracht". Was dem erstaunten Leser dieses Verbotsschilds ins Auge springt, ist Amtsstil in voller Reife, ja gleichsam im infektiösen Stadium. Und doch nur die Spitze eines sprachlichen Eisbergs.

Wer kennt sie nicht, die vielen Abstrakta auf -ung, die zahlreichen hauptwörtlich gebrauchten Infinitive (das Abstellen, das Verzehren), alle die sperrig-unsinnlichen Fügungen und Schablonen, die unverkennbar dem Ausdrucksregister der Verwaltung, der Diktion von Ämtern und Behörden eigen sind? Ein Verfahren wird nicht angewendet, sondern "kommt zur Anwendung"; eine Lösung wird nicht vorgeschlagen, vielmehr "zum Vorschlag gebracht"; ein Anliegen wird nicht vorgemerkt, es wird "in Vormerkung genommen". Anträge werden "zur Abstimmung gestellt", Maßnahmen "gelangen zur Anwendung", Formulare "stehen zur Verfügung" - und so weiter.

Da die Zeitwörter dabei ihre anschauliche Bedeutung verlieren und zu Funktionsverben' verblassen, wobei die eigentliche Information nur noch den Substantiven zukommt, werden solche Wortverbindungen linguistisch dem Nominalstil zugeordnet. Der ist zwar ein bevorzugtes Feindbild der Verbalästheten und Sprachkritiker, hat aber auch seine funktionale Berechtigung. Denn man kann damit ganze Satzinhalte zu einem Wort verdichten, komplexe Sachverhalte raumsparend aufgreifen und dem Adressaten der Botschaft eindeutig "in Erinnerung bringen".

Welche Stilblüten abseits fester Floskeln auf diesem Feld gedeihen können, hat der Autor dieser Zeilen einem behördlichen Schreiben entnommen, das ihn von einer zunächst verhängten Gebühr freisprach: "Die Begehung war irrtümlich."

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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