Was auch 10 Jahre nach 9/11 blieb

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Man kam ja dieser Tage medial kaum vorbei an jenem "defining moment“ vor zehn Jahren. Eingebrannt ins Bewusstsein einer Generation. Aber ist es - neben der Ikonografie - dasselbe 9/11? Nein. Wie bei allen Wendepunkten der Geschichte werden verschiedene Narrationen mit 9/11 verknüpft. Die eine erzählt von einem Wendepunkt in Richtung Demokratie, Menschenrechten und Freiheit und den Revolutionen im Nahen Osten, die andere von Krieg, Unterdrückung, Zensur und Propaganda und einem gelungenen Vorwand, politisch Missliebige unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung zu reglementieren.

Der Aufstieg von Al Jazeera, das neue Selbstbewusstsein der arabischen Zivilgesellschaft, wären wie dies z. B. Karim El-Gawhary argumentiert, ebenso wie die Repressionen in den USA und Teilen Europas, wie dies die OECD nachweist, in dieser Form ohne diese Zäsur nicht denkbar. In Europa und in den USA, in der arabischen Welt und in Afrika, in Russland und in Europa wurde und wird 9/11 durchaus unterschiedlich eingeschätzt und steht symbolisch für andere Dinge.

Diese Disparität und die unterschiedlichen Interpretationen der Folgen von 9/11 wurde auch in den österreichischen Medien gut wiedergegeben. Zumindest in jenen, die sich einen gewissen Anspruch auf Qualität erhalten haben. Was wurde zu wenig besprochen? Die Gründe für das Gefühl der diffusen Bedrohung, der Antiislamismus, der sich mit dem vermuteten Gewaltpotenzial dieser Religion legitimiert, Anti-Terror-Gesetze, die vor dem Hintergrund von Meinungs- und Pressefreiheit zumindest seltsam anmuten und der Umstand, dass auch Qualitätsmedien im Schock des Augenblicks die kritische Distanz verlieren können.

Aber es wäre wohl zu viel verlangt, wenn man, zusätzlich zur Kritik der anderen, 9/11 auch noch zum Anlass der Selbstkritik machen würde. Oder?

* Der Autor ist Prof. für Medienwissenschaft an der Uni Klagenfurt

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