Weder wild noch weise

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Der Lakota Dan will als der gesehen werden, der er ist.

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Der Lakota Dan will als der gesehen werden, der er ist.

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Wie tiefgreifend sich das Bild der nordamerikanischen Indianer im Bewußtsein der Europäer wandelt, wird einem klar, wenn man "Die letzten Heiligen Dinge" liest, das Dokument der Freundschaft zwischen dem Weißen Kent Nerburn und dem fast 80jährigern Lakota Dan. Und wenn man beispielsweise in dem vor einiger Zeit erschienenen Fotoband Ulrich W. Hiesingers "Indianer in Nordamerika" nachliest. Welch völlig anderer Zugang! Bei Hiesinger wird ein toter Soldat noch als "massakriert" bezeichnet, während das Massaker an 300 unbewaffneten Indianern, die sich ergeben wollten - vor allem Alte, Frauen und Kinder - als Schlacht am Wounded Knee bezeichnet wird.

Nerburns Bericht ergab sich aus der Bitte eines alten Indianers, seine Gedanken und Gefühle zu einem Buch zusammenzufassen. Nerburn ist Theologe, Kunsthistoriker, Bildhauer und Pädagoge, sein Projekt "Mündliche Tradierung von Geschichte" erhielt eine Auszeichnung. Er begnügt sich damit, Dans Familie, Freunde, Leben zu beschreiben, damit der Leser ihn besser verstehen kann. Er bemüht sich, Dan unverfälscht wiederzugeben. Der alte Lakota (Sioux) will so gesehen werden, wie er ist, will mit dem Image des Wilden, aber auch dem Klischee vom weisen alten Indianer, brechen. Eindrücklich beschreibt er seine Verzweiflung und Wut über das Schicksal seines unterdrückten Volkes. Obwohl er Nerburn - und damit den Leser - lange Zeit auf Distanz hält, gibt er ihm Einblick in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Seine Themen sind, bei näherem Hinsehen, die jedes Menschen. Ein besonderer Reiz seiner Erzählung liegt in seiner Sicht der weißen Gesellschaft von außen - eine Einladung, über uns selbst nachzudenken.

DIE LETZTEN HEILIGEN DINGE Auf den Spuren indianischer Weisheit Von Kent Nerburn Hoffmann & Campe, Hamburg 1997 432 Seiten, Ln., öS 321,-

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