"Wenn nichts mehr geht, dann geh!"

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P. Hans Eidenberger bietet als spiritueller Wegbegleiter unter anderem "Wanderexerzitien" an. Ein Gespräch übers Stillwerden beim Gehen, um wieder mehr wahrnehmen zu können.

Hans Eidenberger, Marianisten-Pater und spiritueller Wegbegleiter, über die befreiende Wirkung des Gehens. Seit vier Jahren bietet er im Mühlviertel Wanderexerzitien an.

Die Furche: Packt man bei Wanderexerzitien die Bibel in den Rucksack?

Hans Eidenberger: Ich mache es eher nicht, denn die Leute, die zu Wanderexerzitien kommen, sind bedürftig, dass sich etwas in ihrem Leben ordnet, dass wieder mehr Lebensraum in einem entsteht. Ich vermeide zu viel Text. Es geht eher um die Bewegung, die Wahrnehmung der Natur, dass man die Sinne wieder mehr schult. Ich verwende nur wenige Worte, etwa Jesu Aufforderung: Folge mir nach. Eigentlich heißt das: Geh mit mir. So gehen wir eine Etappe schweigend und nehmen nur wahr, dass ich gehe und dass andere mit mir gehen. Das ist schon genug. Dann kommt der nächste Impuls, danach Gebetszeiten und eine Eucharistiefeier.

Die Furche: Was bewirkt das schweigende Gehen in der Natur?

Eidenberger: Schweigen heißt eigentlich: hören lernen. Wenn man leise wird, kommt man als erstes drauf, wie laut es in einem ist. Für manche ist das am Anfang frustrierend. Da ist das Gehen sehr gut, es entsteht ein Rhythmus und so wird aus dem Schweigen langsam auch eine Stille. Es hat etwas Befreiendes und Wohltuendes, wenn man wieder den Rhythmus zwischen Wahrnehmen, Denken und Handeln findet. Wir nehmen heute immer weniger wahr, rotieren immer mehr zwischen Denken und Handeln.

Die Furche: Fällt es den Leuten schwer, statt des ständigen aktiven Tuns einfach nur wahrzunehmen?

Eidenberger: Ja. Ich mache auch Exerzitien: Da braucht es meist drei Tage, dass man überhaupt herunterkommt von diesem Gedankenkarussell. Es ist da eine Riesenhilfe, in die Schöpfung hinauszugehen.

Die Furche: Warum kommen die Leute zu Ihren Wanderexerzitien?

Eidenberger: Ein Grundbedürfnis ist herauszukommen, dass man zu viel steht, zu viel sitzt und zu wenig das Gefühl hat, irgendwo anzukommen. Leben ist Bewegung. Es geht auch darum, Ausgleich zu schaffen zwischen dem sitzenden Leib und dem rotierenden Geist. Um wieder eine Mitte zu finden, brauchen wir den Lehrmeister der Bewegung.

Die Furche: Pilgern boomt - der Jakobsweg lockt immer mehr Touristen an und wird zum Ziel sportlich Ambitionierter …

Eidenberger: Auch wenn sie eher sportlich motiviert sind: Ich bin sicher, dass die Leute zu Erfahrungen kommen, die ganz wichtig sind für ihr Leben. Natürlich, wenn man nur im Reisebus sitzt und eine Stunde geht, ist das zu wenig. Man muss sich schon der Bewegung, der Natur und dem Unterwegssein aussetzen. Bei Wanderexerzitien beobachte ich aber nicht, dass jemand sportliche Spitzenleistungen erbringen möchte und das Spirituelle im Hintergrund bleibt. Wir haben eine größere Wanderung, die drei Stunden dauert, sonst aber keine Riesenziele, wo man sich körperlich überwinden müsste.

Die Furche: Was nehmen die Leute von Wanderexerzitien mit?

Eidenberger: Was ich so heraushöre: Wieder freier zu werden, es klärt sich manches und man gewinnt Abstand zu den Dingen. Wenn das Hirn ständig läuft, geht irgendwann nichts mehr. Wenn man's im Hirn nicht mehr schafft, etwas zu lösen, dann soll man den Leib das tun lassen, was er tut: Wenn nichts mehr geht, dann geh!

Das Gespräch Führte Julia Langeneder

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