Wenn Pinguin und Giraffe schreiben

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Wann hat man zuletzt einen Brief bekommen? Keine Rechnung, keine Werbung, sondern ein handschriftliches Schreiben, wo oben "Mein lieber ..." und unten "Viele Grüße, deine " geschrieben stand? Man sollte Kindern, die gerade lesen und schreiben lernen, von dieser fast verschwundenen Form der Kommunikation erzählen. Die können sich das wahrscheinlich noch gut vorstellen. Dass zum Beispiel eine Giraffe in der südafrikanischen Savanne sich langweilt, weil bis zum Horizont kein Freund weit und breit zu sehen ist. Apropos: "Was mochte auf der anderen Seite vom Horizont sein? Ob dort auch Tiere lebten? Und wie sie wohl aussahen?" Gute Frage! Und auch gut, dass ein ebenfalls gelangweilter Pelikan kürzlich nebenan einen Postdienst eröffnet hat. Giraffe beschließt, einen Brief zu schreiben, den soll der fliegende Postbote dem ersten Tier in die Hand drücken, das ihm hinter dem Horizont begegnet. Und bitte gleich auf Antwort warten! Was folgt, sind nicht nur Aufregung, Ungeduld, Ärger, Neugier und ziemlich viel Lachen, sondern auch neue Fragen, neue Freunde und damit eine enorme Erweiterung des Horizonts.

Seltsame Vorstellungen

Der vor 15 Jahren im japanischen Original publizierte Text passt gut ins Hier und Jetzt: Weder hat nämlich das permanente Kommunizieren über alle möglichen Netze die Fadesse ausgemerzt, noch die Globalisierung etwas daran geändert, dass Menschen sich von anderen Menschen jenseits ihres Horizonts oft seltsame Vorstellung machen. Darüber erzählt Megumi Iwasa in einfacher Sprache, kluger Dramaturgie und mit Witz in acht kurzen Kapiteln und elf handgeschriebenen Briefen, die zwischen Giraffe und Pinguin diesseits und jenseits des Horizonts gewechselt werden. Fragen stellen sich hier wie dort: Wie soll man sich einen Pinguin - oder eine Giraffe - vorstellen, wenn man noch nie von einem Tier dieser Art gehört hat? Was ist ein Hals und wo sitzt er etwa bei einem Wal? Welche Farbe hat das Meerwasser und warum verändert es sich je nach Tageszeit und erst recht in einem roten Kübel?

Jörg Mühle, der "Viele Grüße, Deine Giraffe" für den deutschen Markt neu und großzügig illustriert hat, weiß natürlich, wie eine Giraffe aussieht. Und dass er Pinguine zeichnen kann, hat er schon in "An der Arche um acht" bewiesen. Er setzt die Figuren und den kleinen Rest - Akazien, Meer, Eisschollen, Fischgräten - klar konturiert, charmant inszeniert und ebenfalls mit viel Humor teils in ganzseitige Illustrationen zum Text. Dass es dann nicht nur dem Pinguin die Sprache verschlägt, als die als Pinguin verkleidete Giraffe am Kap der Wale ankommt, ist kein Wunder. Und eben auch Folge eines lebhaften Briefwechsels. Apropos - wann hat man zuletzt einen Brief geschrieben?

Viele Grüße, Deine Giraffe

Von Megumi Iwasa. Illustr. v. Jörg Mühle

Aus dem Japan. von Ursula Gräfe

Moritz 2016

112 S., geb., € 11,30

Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

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