"Wie uns die Alten sungen

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Roger Vontobel taucht mit Gerhild Steinbuchs Stück "verschwinden" unter.

Gerhild Steinbuch ist eine junge heimische Dramatikerin, der man gewünscht hätte, dass sie noch für längere Zeit dort unentdeckt bleiben könnte, um möglichst lange vor den unweigerlich über sie hereinbrechenden Bühnenstürmen bewahrt zu bleiben. Doch es scheint, dass der Theaterbetrieb davon nicht viel hält. Man erfreut sich an unverbrauchtem Anspruch und hoffnungsvoller Erzählkunst, um sie an gierig schnüffelnde Stückebestäuber weiterzureichen. Steinbuch hat mit ihren 24 Jahren bereits einige viel beachtete Stücke auf Bühnen in Österreich, Deutschland und Dänemark gebracht, beim Bachmann-Lesen 2005 debütiert und eine Reihe wichtiger Preise gewonnen.

In der Tat findet man heute unter all der Verständlichkeitsprosa, die zyklisch auf die Theaterbühnen gekippt wird, selten junge, kühne Stücke, die einen bewegen, weil sie den Mut haben, auch Fehler zu machen. Unzweifelhaft sind Theaterabende, in denen unbefangen und frei heraus erzählt wird und die Regie bei geringem Reibungsverlust das Werkl in Schuss hält, allemal bekömmlicher. Doch da wird uns zumeist erzählt, was uns bereits zu Ohren gekommen ist. Das wahrhaft Unerhörte enthält man uns vor.

Mit "verschwinden", uraufgeführt im diesjährigen steirischen herbst, hat Steinbuch einen unzugänglichen und keineswegs über alle Zweifel erhabenen Text erarbeitet. Ausgehend vom Antigone-Mythos skizziert sie eine an der Oberfläche glatt geputzte, abgründig verstrickte Familie, die ordentlich an ihren politischen und moralischen Werten zu kauen hat. Und die letztlich ganz leise an ihrem Umgang mit den Alten erstickt.

Was den Abend auf der Schaubühne der Grazer Oper aber tatsächlich zum Ersticken brachte, war Roger Vontobels Regiebebilderung. Den Text einmal an sich gerissen, hat er diesen mit viel Aktionismus befruchtet und alles Eigenwillige entsorgt. Seine Antigone Lara (Sophie Hottinger) ist äußerst zögerlich, sein Kreon Heinz (Dominik Warta) betreibt hochpotent Familien- und Altenpolitik und Laras Bruder Oed (Claudius Körber) gibt als Altenpfleger einen zappeligen Schmerzensmann. Um sicherzugehen, dass auch die letzten Frohgestimmten im Publikum den aktuellen Gesellschaftszustand zu deuten wissen, schickt Vontobel am Ende noch einen 15-köpfigen Seniorenchor in den Tod. Der Abend ist nicht zu retten!

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