Wo die Kühe mager sind wie das Glück

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Das Pathos, das über die Jahre an Rainhard Fendrichs "I am from Austria" kleben geblieben ist, wird eine andere heimliche Hymne nie abbekommen. "Hier bin ich geboren, wo die Kühe mager sind wie das Glück" - so beginnt der Song des früh verstorbenen Gerhard Gundermann (1955-98) über seine Region, das Braunkohlegebiet rund um das ostdeutsche Hoyerswerda.

In seinem feinfühligen Film über das Leben des Liedermachers formt Regisseur Andreas Dresen ("Wolke 9","Halt auf freier Strecke") damit seinen Moment der Wahrheit: Der, den alle nur "Gundi" nennen, der nie aufgehört hat, als Baggerfahrer zu arbeiten, einer von ihnen ist und bekannt dafür, dass er unter dem SED-Regime nicht den Mund hielt, ausgerechnet der gibt Anfang der 1990er seinem versammelten Konzertpublikum bekannt, dass er IM, Informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit, war. "Hier bin ich geboren" - das wird nun zum Test, weniger im Verzeihen, sondern im Akzeptieren, dass es diese kollektive Vergangenheit gibt, zu der sich einer nun bekannt hat, auch auf die Gefahr hin, ausgeschlossen zu werden.

Ostalgie-freie DDR-Aufarbeitung

"Gundermann" beschreibt diesen individuellen Erkenntnisweg auf zwei Zeitachsen. Einmal auf jener Ende der 1970er, als Gundi sein Leben irgendwo zwischen Idealismus, Courage und Naivität führt, mit Schichten im Tagebau und Musik in den freien Stunden. Während die Partei davor steht, ihn auszuschließen, weil er die Genossen mit dem Anprangern von Missständen düpiert, wirbt die Stasi ihn mit Freude an. Parallel dazu baut sich die Zeit nach der Wende auf, als ihn der Vorwurf, etwas falsch gemacht zu haben, grübeln lässt, und hadern, wie er es den Menschen um sich sagen soll.

Es braucht keine Schreiduelle, um Laila Stielers pointiertes Drehbuch zur Entfaltung zu bringen. Dresen schöpft daraus menschlich nahegehende Charaktere, erschüttert tief, lässt aber genauso schmunzeln. Etwa über den tragikomischen Running Gag des Films: die Obstschale, die Gundermann von der Stasi bekam, die als Sinnbild seiner Vergangenheit immer wieder auftaucht. Oder über den so liebenswürdigen wie gehörnten Ehemann seiner großen Liebe Conny.

In Erinnerung bleibt dieses wunderbar Ostalgie-freie Stück DDR-Aufarbeitung deshalb schon abseits seines eigentlichen großen Herausstellungsmerkmals: der Vielzahl von Gerhard Gundermanns Liedern, die von Hauptdarsteller Alexander Scheer und einer ausgewählten Musikerriege mitreißend neu interpretiert werden. In deren Texten wird nicht nur ein fremder Kosmos noch weiter aufgerissen, sie sind auch eine melancholische Antwort auf Befindlichkeiten, die uns im unmittelbaren Jetzt begegnen.

Gundermann D 2018. Regie: Andreas Dresen. Mit Alexander Scheer, Anna Unterberger, Eva Weißenborn. Polyfilm. 127 Min.

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