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Wolfgang Bauers "Foyer" beim steirischen herbst uraufgeführt: Pflichtapplaus für einen laienhaften Theaterabend.

Wenn ein Theaterstück von einem alternden Autor handelt, der Dr. Charly Dodler heißt und sich eines Abends ins Theater begibt, um der Uraufführung seines autobiografischsten Werkes beizuwohnen - wer wollte da hingehen? Wenige. Wenn aber Wolfgang Bauer den Text liefert, viele.

Alles beginnt recht harmlos (Charly Dodler, ein Dichter von etwa 70 Jahren, irrt in einem abgenutzten, etwas verfallenen Foyer umher) und endet hypnotisch, wie es Bauer gefällt, in einer Vorhölle des Lebens. Dem Dichter wird der Zutritt in den Zuschauerraum verwehrt. Was da aus dem Saal dringt, hat immer weniger mit Dodlers Leben zu tun, auch läuft sein Stück, "meistens voll", bereits seit 70 Jahren. Kassafrau, Garderobendame und Barkeeper treiben es im Foyer obszön voran. Otto Sammler, seines Zeichens pyjamatragender Kritiker, kündigt Dodler einen anständigen Verriss an für diese "künstlerische Scheiße". Aber Bauer wäre nicht Bauer, wäre da nicht die Lust an surrealem Irrwitz, absurder Komik und trivialen Hypochondrien. Also reibt Bauer seinen Text gründlich an Realität, Zeit, Sinn und Metaphysik. Erledigt wird dies vom Regisseur Pieter van Mief, den Bauer nach wenigen Stückseiten einführt. Er trägt die Wundmale des Teufels, rotes Haar und Ganzkörperbehaarung: Alles andere ergibt sich wie von selbst. Die Zuschauer denken zu viel, das löst einen entsetzlichen Gestank aus: "sie denken ständig nach... da entsteht dann dieser Brandgeruch..." Van Mief inszeniert den Fegefeueraufguss und zieht Dodler diametral zum vermeintlichen Verlauf seiner "Foyerexistenz" in den Abgrund. Die Pauseneinlage, die Bauer seinen Protagonisten verordnet, eröffnet den tödlichen Ausgangsreigen, der den grausamen Zusammenprall von Kunsttraum und Lebensrealität(en) markiert. Kunstsinnige Ärzte unterziehen Dodler einer Ich-Transplantation. Eingepflanzt wird ihm George Bushs (der ebenfalls unter den Zuschauern ist) halbes Herz, ausgelöst damit Dodlers Ich-Verlust. Am Ende jagt Bauer sein Alter Ego in die Luft.

Damit ist die Kurzrezension des soeben im neunten Band der Bauer-Werkausgabe (Verlag Droschl) erschienenen Theaterstücks zu Ende. Kommen wir zur Wirklichkeit: zur vergnügungswütigen Uraufführung in der Helmut-List-Halle, für die das Theater im Bahnhof unter der Regie von Pia Hierzegger und Monika Klengel verantwortlich war. Bekannt ist das TiB als eine der professionellsten Off-Gruppen Österreichs, Bauer erprobt, vielfach "bepreist" und mit Chancen verwöhnt - bravourös eingelöst etwa bei der Eröffnungsgala zum Kulturhauptstadt Jahr 2003 in der Grazer Oper: Unter dem Motto "Graz fliegt!" legte es einen wahren Theaterhöhenflug hin.

Und im "Foyer"? Wir sehen dem TiB zu: wie ein blutleerer, gut 30-Jähriger mit steifem Hohlkreuz (Lorenz Kabas) einen alternden Dichter imitiert, wie ein schwächlich schlürfender Kritiker (Rupert M. Lehofer) seinen Text mit gnadenloser Eintönigkeit immerzu in Dodlers Augenhöhe ausspuckt, wie die Stammbesetzung des Foyers tierisch hoppelnd, chronisch hysterisch vor sich (uns) hin zirkuliert, wie zwei oder drei Momente, die Inszenierung ins Spannungsreiche zu kippen, ungenützt bleiben und final die Regie den Blutleeren auch noch mit einem lächerlichen Blutklatscher ins Jenseits befördert. Zwei Stunden lang meint man bei diesem Heimspiel "Bauer - TiB" trotz dramatisch anschwellenden Textes immer nur das eine zu hören: Wolfi, wir sinken!

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