Wonach richten wir unsere Alltage aus?

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Über Monotheismus hinaus

Vor dem 11. September 2001 saß auf Podien zum interreligiösen Dialog zuweilen eine Buddhistin oder sogar ein Hinduist. Viele Leute durften aber schon vor 9/11 nicht mitreden: Japanerinnen zum Beispiel, die sich gleichzeitig dem Schintoismus, dem Buddhismus und dem Christentum zugehörig fühlen, oder Menschen, die der Anthropologe "Animisten“ nennt, oder Europäerinnen, die zwar noch nicht aus ihrer Kirche ausgetreten sind, ihr Vertrauen aber längst in Kristalle oder Sternkonstellationen setzen und Wegleitung "im Universum bestellen“. Auch unser Kolumnengespräch in der FURCHE liest sich manchmal so, als bestehe die Menschheit aus Theologiestudierenden, die großen Wert darauf legen, ihre Alltage genau an dem auszurichten, was Professoren aus der Bibel und dem Koran herauszulesen belieben. Welche und wie viele Wirklichkeiten geraten dadurch aus dem Blick?

Al Imfeld, der weitgereiste Priester, Journalist und Agronom bringt in seinem neuen Buch "Afrika als Weltreligion“ (Bern 2011) einiges produktiv durcheinander: die hierzulande noch immer gängige Auffassung zum Beispiel, der Monotheismus verbreite sich sukzessive über die ganze Welt. In Wirklichkeit, so Imfeld, verändert (Diaspora-)Afrika ganz ohne akademische Kontrolle mit Rumbarhythmen, heiligen Bäumen und ein bisschen Magie die Vorstellung vom unsichtbaren großen Mann, der irgendwo oben sitzt und alle Fäden in der Hand hält. Auch Othmar Keel, der Spezialist altorientalischer Ikonografie und Erforscher des antiken Jerusalem, ist der Meinung, wir befänden uns nicht mehr wirklich im Zeitalter dessen, was man "Monotheismus“ zu nennen sich angewöhnt hat.

Befindet sich womöglich, wie so oft in unseren heiligen Schriften, die Mitte wieder mal ganz woanders als dort, wo unsereins am liebsten hinschaut?

Die Autorin ist Schriftstellerin u. evang. Theologin in der Schweiz

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