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Schweigen und helfen

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Pazifismus, Gleichberechtigung und der Einsatz für Notleidende und Verfolgte sind noch heute die Markenzeichen der Quäker, die vor 50 Jahren mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden.

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Pazifismus, Gleichberechtigung und der Einsatz für Notleidende und Verfolgte sind noch heute die Markenzeichen der Quäker, die vor 50 Jahren mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden.

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Erwähnt man in Österreich den Namen „Quäker”, erinnern sich viele noch an die „Quäkerausspeisung”, an einen Mantel oder an Medikamente, die sie nach dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg von amerikanischen oder britischen Quäkern bekommen haben. Heute sind die Quäker in Österreich zu einem kleinen Grüppchen zusammengeschmolzen. Nur zwölf Menschen versammeln sich - meist Sonntag vormittags - zum Gottesdienst, dem gemeinsamen Schweigen, um zu erfahren, was Gott ihnen sagt. Sheila Spiel-hofer, selbst Quäkerin, erklärt mit einer Anekdote die Einstellung der Quäker zu ihrem Gottesdienst: „Ein Neugieriger kommt in die Quäkerversammlung, setzt sich zu den anderen und wartet. Nach einiger Zeit gemeinsamen Schweigens fragt er den Nachbarn: Wann beginnt hier der Gottesdienst? Worauf die Antwort kommt: Unser Gottesdienst beginnt, sobald wir die Versammlung verlassen.” Nicht die Verbreitung einer Botschaft oder die Anzahl ihrer Mitglieder - weltweit rund 300.000 - ist den Quäkern wichtig, sondern „das Tun dessen, was Gott sagt”.

Nobelpreis 1947

Für dieses „Tun” erhielten die Quäker vor 50 Jahren sogar den Friedensnobelpreis. Dreimal in diesem Jahrhundert hat man in Österreich die Quäker als „stille Helfer” kennengelernt. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war die von amerikanischen und britischen Quäkern organisierte „Quäkerausspeisung” für Tausende Kinder eine rettende humanitäre Großtat. In den Jahren des nationalsozialistischen Terrors halfen deutsche, britische und amerikanische Quäker zahllosen Bedrängten und Verfolgten - in Österreich und Deutschland selbst und in ihren Exilländern. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren wieder die Quäker die ersten, die nach Österreich kamen um Hilfsaktionen zu koordinieren, Lebensmittelpakete an Schulkinder und Kranke auszuteilen, alten Menschen und Studenten eine tägliche Mahlzeit und die nötige Kleidung zukommen zu lassen. Fotos und Dokumente, die das humanitäre Engagement der Quäker in Österreich beilegen, sind derzeit in Wien in der Ausstellung „Wege zur Versöhnung” zu sehen.

So wenig auffallend die stillen Quäker heute sind, so befremdend wirkten sie im England des 17. Jahrhunderts, als sie mit einigen anderen radikalen protestantischen Sekten gegen den strengen Puritanismus rebellierten. Die Kritik an den traditionellen kirchlichen Formen und Institutionen war in diesen religiösen Gruppierungen ebenso lebendig wie der Protest gegen soziale und politische Ungleichheit. Dazu kam das Verlangen nach einer „reinen”, von allen Vermittlungen freien, direkt auf Gott ausgerichteten Frömmigkeit, das auch am Beginn der „Gesellschaft der Freunde” - wie sich die Quäker selbst nennen - stand.

Gegründet von dem Schuhmacher George Fox, fanden die „Freunde” ihre Anhänger vor allem in den unteren sozialen Schichten, unter den Landarbeitern, Handwerkern, Schneidern und Webern. Im Mittelpunkt von Fox' Verkündigung stand die Lehre vom „Inneren Licht”, das als Anknüpfungspunkt zur religiösen Erleuchtung jedem Menschen von Gott eingepflanzt ist und die absolute religiöse und soziale Gleichheit aller begründet. Dieser Egalitarismus der ersten „Freunde” - die allein Gott „die Ehre erweisen” wollten, äußerte sich darin, daß sie ihren Hut auch vor Höhergestellten nicht abnahmen und alle Menschen mit „Du” anredeten - ein unkonventionelles Verhalten, das schnell Aufsehen und Anstoß erregte.

Wer sich nicht an die gewohnten Regeln hielt, dem traute man auch zu, die staatliche Ordnung stürzen zu wollen; so ist die Geschichte der Quäker auch eine Geschichte der Verfolgung. Tausende kamen ins Gefängnis, etwa 300 verloren dort ihr lieben. Als George Fox 1650 vor Gericht stand, mahnte er den Richter, der Mensch müsse beim Wort Gottes „zittern und beben”, worauf der Richter ihn und seine Anhänger als „Quakers” („Zitterer”) bezeichnete. Der Spottname fand schnell Verbreitung und die „Freunde” hatten keine Scheu, ihn für sich selbst zu übernehmen. Bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung wanderten die ersten Quäker nach Nordamerika aus, und nach und nach folgte die „verfluchte Rotte von Häretikern”, vor der die pu -ritanische Obrigkeit in England warnte. Auf einem Stück Land in den Kolonien gründete der Quäker William Penn die Kolonie „Pennsylvania”, für die er eine demokratische Verfassung entwarf, die Religionsfreiheit gewährte, die Todesstrafe weitgehend beschränkte, statt Gefängnissen Arbeits- und Erziehungsanstalten vorsah und kein Militär auf -stellte.

Das unbedingte Nein zum Krieg mit der persönlichen Konsequenz der Verweigerung des Kriegsdienstes ist neben dem humanitären Engagement das bekannteste Charakteristikum der Quäker. Dieser Pazifismus und ihre menschliche Haltung gegenüber den Indianern führten dazu, daß der Glaube der Quäker von ihren Gegnern als unvereinbar mit einer politischen Position angesehen wurde und sich die Quäker immer mehr aus der Politik zurückzogen.

Ihr Engagement für die Menschen bahnte sich währenddessen andere Kanäle, etwa im Kampf gegen die Sklaverei, die mit der Lehre der Quäker von der Gleichheit aller Mensehen nicht zu vereinbaren war oder in der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Quäkerfrauen waren von Beginn an in spirituellen Belangen den Männern gleichgestellt, sie durften predigen, zu diesem Zweck sogar reisen, und in wichtigen Fragen kam der Versammlung der Frauen die gleiche Stimme zu wie der Versammlung der Männer. Auf die damalige Gesellschaft wirkte das durchaus schockierend und revolutionär, dabei waren auch die Quäker kein Paradies für Feministinnen: Die Finanzen blieben nach wie vor fest in Männerhand, ebenso Latein und Mathematik, während die Frauen für die Kindererziehung zuständig waren und in der Schule vor allem Sticken lernten. Trotzdem fühlt man sich bei den Quäkern der Frauenbewegung noch heute verbunden: „Wir beschränken uns in unserem Engagement nie nur auf unsere Gruppe, sondern suchen uns Organisationen mit ähnlichen Ideen und arbeiten mit ihnen zusammen, seien es andere Kirchen und Religionen, aber auch Amnesty International, der Internationale Versöhnungsbund oder die Frauenbewegung”, erklärt Sheila Spielhofer.

Doppelmitgliedschaft

Offen ist man auch in religiösen Belangen: Die Zugehörigkeit zu einer anderen Konfession hindert niemanden daran, auch Quäker zu werden. Vor allem im anglikanischen Raum wird diese Doppelmitgliedschaft häufig praktiziert. Daß dies in der katholischen Kirche nicht möglich ist, sieht Spielhofer als einen Grund dafür, daß die Quäker in Österreich so wenige Mitglieder haben. Auch um den religiösen Nachwuchs ist es nicht eben reich bestellt: Eine sakramentale Taufe gibt es bei den Quäkern nicht und nur wenige der Quäkerkinder entscheiden sich für eine offizielle Mitgliedschaft. „Vielleicht braucht es eine gewisse Reife, um sich von der Stille angezogen zu fühlen”, vermutet Spielhofer. Auch ihre eigenen drei Kinder stehen den Quäkern nahe, besuchen

öfters den Gottesdienst, Mitglieder sind sie keine. „Eine Tochter ist mit einem Muslim verheiratet, die andere mit einem katholischen Iren und mein Sohn mit einer Jüdin - wenn nur überall auf der Welt die Verständigung zwischen den Religionen so gut funktionieren würde.”

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