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Zum zweiten Male in zweitausend Jahren...

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Ein einziges Mal in ihrer zweitausendjährigen irdischen Geschichte hat bisher die Kirche das Laienvolk aufgerufen, die reine Lehre, den Glauben und die Freiheit des Christenrnenschen gegen anscheinend übermächtige Gewalten zu verteidigen, zu sichern und vorzutragen. Es war die Tat Gregors VII., der gegen Bischöfe, Könige und Kaiser, gegen die übermachtung des Christentums durch Blut und Sippe und Boden das Volk, das Laienvolk aufrief.

Kein Kreuzzugsaufruf kann sich messen mit diesem Ereignis — und die großen und tiefgreifenden Reformbewegungen späterer Jahrhunderte, an ihrer Spitze die des Laien Franziskus von Assisi, wurden von der Kirche geduldet, gefördert, zugelassen — keine ging direkt von ihrer obersten Führung aus.

Zum zweiten Male in zweitausend Jahren wendet sich nun die Eine, Heilige und Allgemeine Kirche an das Laienvolk der Einen Welt, um es aufzurufen, ihr Christsein in diese Welt des Hasses, des Terrors, der wirtschaftlichen, nationalen, sozialen Kämpfe hineinzutragen — und in der Epoche der Weltkriege das Friedensreich Christi zu bezeugen, zu leben. Das ist der Sinn des ersten römischen Weltkongresses für das Laien-apostolat, der in diesen Tagen in Rom zu Ende ging.

Zersplittert in Nationalismen, sich aufreibend in den Kämpfen verschiedener Frömmigkeitsstile und Sonderformen; abgesperrt gegeneinander in den Positionskämpfen einzelner Machtgruppen; ohne Klarheit über die dogmatischen, moralischen und asketischen Prinzipien des Laienapostolats; ohne Wissen oft um innerkirchliche Arbeitsmöglichkeiten, ohne Kenntnis seiner sozialen Aufgaben und übernationalen Verpflichtungen; so bot bis zum heutigen Tage das laikale Weltvolk der Einen Kirche allen Tiefersehenden das erschreckende Schauspiel der Schwäche und Verworrenheit, der Hilflosigkeit zumal den großen Problemen und Lebensfragen der heutigen Menschheit gegenüber. Die Stummheit, das Versagen, die Blindheit und Tatlos igkeit angesichts der großen Verfolgung ihrer Glaubensbrüder im Osten bildet nur das letzte Glied und Mahnmal in dieser Kette unglückseliger Fehlentwicklungen.

Der römische Kongreß hat sich diese Tatsachen in ihrer ganzen Schwere vorgestellt; seine fünf Hauptthemen (Die Welt von heute und das Apostolat der Laien; Die doktrinären Grundlagen des Laienapostolats; Die Heranbildung der Laien zum Apostolat; Für eine christliche Sozialordnung; Der Katholik im internationalen Leben) verraten, worum es hier geht: um den Anfang einer christkatholischen V o 1 k s-bewegung auf der ganzen Einen Erde z“ur Verteidigung der Menschenrechte, des wahren Friedens, der wahren.Ei n-heit, Freiheit, Brüderlichkeit und Sicherheit.

Was das bedeutet, mag am besten der führende Kopf des deutschen Kommunismus, Ernst i e k i s c h, derzeit Professor in Berlin, sagen. In seinen Werken »Ost und West“ und „Zum Problem der Freiheit“ entwirft er das Bild des durch „Gesellschaftstechnik“ geformten, genormten P1 a n m en s c h e n, wie er im Osten heute experimentell geschaffen, wie er im Westen der industriell-technischen Gesellschaft als immer lockendere Versuchung vorschwebt. „Der russische Bauer und Arbeiter erwiesen sich für die technisch-konstruktive Gesellschaftsplanung als geeigneter und williger Menschentypus; seine östliche Willigkeit, Einordnung, Gemeinschaftsexistenz machten ihn zu einem wunderbar elastischen Stoff für die großen Experimente, die jetzt kühn in Angriff genommen wurden. Es war, als sei er in seiner Form und Art für die größte und entscheidendste Stunde dieses Jahrhunderts vorbereitet und aufgespart worden. Der Vorsehungsgedanke, dem sich das russische Volk in seiner primitiven Frömmigkeit jahrhundertelang gebeugt hatte, war mystisch, symbolisch gewesen. Zugrunde liegt ihm die Voraussetzung eines göttlichen Plans. Die technizistische G es e 1 1-schaftskonstruktion verwechselnden göttlichen Plan in ein Werk des menschlichen Verstandes.“ — »Rußlands Stunde hatte geschlagen; der schicksalsvolle Augenblick rief nach Rußland, und es entzog sich nicht und versagte sich nicht. Es fand zu seiner Form, zu seiner wahren Gestalt— es ergriff den Gott, den es so lange vergeblich und inbrünstig gesucht hatte. Wie die deutsche Reformation den Untertan, die englische Revolution den Gentleman, die Französische Revolution den Citoyen geprägt hatte, so hatte die russische Revolution den Planmenschen geboren, der völlig auf die Gesellschafts- und Wirtschaftskonstruktion abgestimmt ist und in ihnen ganz und gar aufgeht. Ein neuer Typus eines menschlichen Gemeinwesens ist entstanden; und es ist eben jener Typus, den das Zeitalter des totalen Technizismus erfordert.“

Bedarf es noch eines besonderen Hinweises darauf, daß dieser Planmensch der technisch-industriellen Gesellschaft die große Versuchung und Gefahr nicht nur in und aus den Ländern des Eisernen Vorhanges, sondern auf dieser ganzen Welt heute ist, weil überall in Fabriken und hohen Schulen, in Bürokratien und Armeen, in Kliniken, Rekrutehlagern und Laboratorien der Mensch verwendet, experimentiert, verbraucht wird?

Gegen die PI anun g. d es .Manschen hilft nur die Planung Gottes: das rücksichtslose, gegen sich selbst rücksichtslose SichhineinsteJUen des Menschen in Sein Gebot und Seine Gnade. Es geht heute darum, ob die Eine Welt für oder gegen Gott gestaltet wird. Wenn die Kirche ihre Aufgabe in diesem Ringen erfüllen will, bedarf sie eines von weltmissionarischen Impulsen ergriffenen Laienvolkes, das als Träger der inneren und äußeren Mission die Schwere des Kampfes auf sich nimmt, auch wenn Priester und Hierarchie ausgeschaltet sind, wie etwa in China. Der römische Laienkongreß muß deshalb in engstem Zusammenhang gesehen werden mit der neuen Missionsidee der Kirche: der ganzen Menschheit zu dienen in Priester- und Laienschaft, in allenStänden, allen Völkern derEinenErde.

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