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Warum "Das Fest" an der Josefstadt misslingen musste.

Es ist noch immer Mode, im Theater Filmstoffe nachzuspielen. Nach dem Volkstheater-Flop mit der Adaption von Dogville versucht sich nun die Josefstadt mit großem Staraufgebot am Kultfilm Das Fest von Thomas Vinterberg. Wem der Film aus dem Jahr 1998 mit seinen verwackelten, schlecht ausgeleuchteten Bildern noch in Erinnerung war, der war gespannt, wie der Regisseur Philip Tiedemann jene Geschichte von der Gesellschaft und ihrem Umgang mit Gewalt erzählen und die beklemmende Atmosphäre der Vorlage auf die Bühne "übersetzten" würde.

Vinterbergs Fest bezieht seine Wirkung nämlich nicht aus dem Tabuthema des innerfamiliären Kindsmissbrauchs allein, sondern vor allem weil es ihm gelingt, eine Identität von ästhetischer Methode und ideologischer Absicht herzustellen. Der nach den Regeln des Dogma-Manifestes mit Handkamera gedrehte Film ist nicht nur eine Geste der Revolte gegen das überkommene Erzählkino, sondern auch ein Film wider die Ohnmacht der Bilder, die Wirkungslosigkeit des Ästhetischen. Vinterberg setzt auf direkte, "unschöne" Bilder, die weniger zeigen als dokumentieren und enthüllen sollen. Ihre Unmittelbarkeit verweigert die Distanzierung, aus der heraus es sich der Zuschauer gemütlich machen könnte. Sie entwickeln eine Sogwirkung, die den Betrachter zum Familienmitglied und nicht bloß zum außenstehenden Beobachter macht.

Damit geht die Radikalität seiner Anklage weit über die erzählte Welt hinaus und zielt auf die innere Verfassung der Gesellschaft. Er führt den sexuellen Missbrauch von Kindern nicht als individuelle Tat vor, sondern als Teil des sozialen Kontextes einer kapitalistischen, sozial deregulierten und gefühlstauben Gesellschaft.

Trotz zaghafter, mehr bemühter als gelungener Versuche, die Sittlichkeit der Welt jenseits der Rampe in den Blick zu bekommen, ist Tiedemanns Inszenierung ein atmosphärisch wenig packendes, über weite Strecken sogar langweiliges Kammerspiel. Es müsste sich endlich die Einsicht durchsetzen, dass bestimmte Stoffe bestimmte Formen verlangen. Das Furchtbare haust nicht in den Familien allein. Die Gewalt ist eine strukturelle, eine der Gesellschaft. So aber klagt das Theater sie nicht an, sondern wird Teil von ihr.

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