Zwischen Verletzung, Rache und Liebe

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Der Kampf der Geschlechter endet im 18. Jahrhundert versöhnlich: Die Komponistin Maria Antonia Walpurgis (* 1724, München; † 1780, Dresden) lässt ihre 1763 uraufgeführte Oper "Talestri“ mit einem harmonischen Schlusschor ausklingen. Vereint und gleichgestellt sind Mann und Frau, so lautet das Happy End, fernab jeglicher Realität.

Genau 250 Jahre später entdeckt die junge Regisseurin Heidi Sommer die Oper neu und bringt sie aus heutiger Sicht auf die Bühne des Wiener Kosmos-Theaters. Von einem Schlusschor ist da keine Rede mehr, denn Sommer denkt den Konflikt weiter und lässt ihn als überzeitliches Problem bestehen. Die Titelfigur schließt die zweistündige Aufführung skeptisch, aber dennoch zuversichtlich eine bessere Zeit herbei singend.

Walpurgis begründet den Geschlechter-Konflikt in "Talestri“ in den misogynen Gewalttaten der Männer. Einer unter ihnen ist der Prinz der Skythen: Oronte (Roland Schneider). Er hat sich bei den Amazonen (als Frau verkleidet!) eingeschlichen und in deren zukünftige Königin Talestri (Anna Manske) verliebt. Sie verweist ihn des Landes, doch er kehrt mit seinem Freund (Francesco Divito) zurück. Darauf steht das Todesurteil.

Ähnlich wie Kleists Penthesilea hadert die liebende Amazonen-Königin mit ihren Gefühlen. Dass Oronte auch noch der Sohn (nach einer Vergewaltigung!) der Hohepriesterin Tomiri (Heidi Brunner) ist, heizt den Konflikt weiter an und formuliert die entscheidende Frage: Wie lassen sich humanitäre Entscheidungen im Wechselspiel geltender Regelsysteme und ambivalenter Gefühle zwischen Verletzung, Rache und Liebe treffen? Erst wenn die Männer zur (Selbst-)Reflexion bereit sind und das verursachte Unrecht erkennen, können sich Gleichheit und Frieden entwickeln.

Giftgrün zwischen schwarz und weiß

Neben den ausgezeichneten Sängern (hervorzuheben auch: Ivana Canovic) ist die Schauspielerin Maria Fliri zu nennen - sie manipuliert als androgynes "Teufelchen“ beide Seiten. Fliri trägt ein giftgrün-türkises Gilet, mit ihr glitzert der Neid zwischen den durchgängig weiß gewandeten Frauen und schwarz gekleideten Männern. Am einen Ende des weißen Laufstegs positioniert sie das Wiener Klassik-Nonett unter der Leitung von Judith Steiner, Elisabeth Attl dirigiert. Die gegenüberliegende Wand nutzt die Regie, um Gefühle und Erinnerungen der Figuren sichtbar zu machen: Mittels Videoprojektion werden Gewaltszenen gezeigt, wo Frauen die Opfer sind.

Die Aufführung bestärkt erneut die exzeptionelle Rolle des Kosmos-Theaters: Diesmal sogar mit einem mehr als gelungenen Ausflug ins Opernfach.

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1., 2. Februar

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