Das Ende der "Demokratura“-Politik

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Eines steht vor der Stichwahl um das tschechische Präsidentenamt zwischen Milos Zeman und Karel Schwarzenberg schon fest: Tschechien ist nicht mehr das EU-Schmuddelkind.

Bei einer Wahl gibt es naturgemäß Sieger und Verlierer, denen man ihre Gemütsverfassung am Gesicht ansieht. Zwei Prager Politiker sahen am vergangenen Wochenende äußerst missmutig in die Fernsehkameras. Da war zum einen der Amtsinhaber, um dessen Nachfolger es bei der Wahl ging, Präsident Vaclav Klaus. Und auf der anderen Seite die rechtspopulistische und nationalistische Kandidatin Jana Bobosikova.

Klaus konnte sich gar nicht darüber freuen, dass es der von ihm nicht sonderlich gelittene "österreichische“ Außenminister Karel Schwarzenberg überraschend in die Stichwahl geschafft hatte. Er selbst hatte seine Stimme nach gesicherten Informationen dem früheren linken Regierungschef Milos Zeman gegeben. Dem Mann, mit dem ihn ideologisch zwar kaum etwas verbindet; mit dem er aber zwischen 1998 und 2002 mit einem Stillhaltepakt dafür gesorgt hatte, dass Kritiker vom Ende der Demokratie und dem Beginn einer "Demokratura“ sprachen.

Bobosikova, die vor Jahren als Abgeordnete im Europaparlament ungeachtet eines für tschechische Verhältnisse traumhaften Salärs für sich und ihren Ehemann (er fungierte als ihr "Assistent“) beständig gegen die EU gewettert hatte, ist eine glühende Verehrerin von Klaus. Das Einzige, was sie ihm vorwirft, ist seine Unterschrift unter den Lissabon-Vertrag. Bobosikova landete auf dem letzten Platz der Rangliste. Aber nicht das störte sie. Sie ereiferte sich vielmehr über die Aussicht, dass nun entweder eine "Europa-Befürworter“ (Zeman) oder ein "Europa-Fanatiker“ (Schwarzenberg) auf der Prager Burg das Sagen haben würde. "Es wird Zeit, Vaclav Klaus zu den Waffen zu rufen“, sagte sie, und sie meinte das durchaus nicht scherzhaft. Die Frau tickt tatsächlich so.

Immerhin lag Bobosikova mit ihrer Analyse richtig: Außen- und europapolitisch wird künftig ein anderer Wind in Tschechien wehen. Ein Wind, der sogar erstmals eine Europaflagge auf der Prager Burg zum Flattern bringen wird. Klaus hisste bewusst nur die tschechische Nationalflagge.

Teufelszeug Euro

Dass Klaus nichts von der EU hält, seine Unterschrift unter Lissabon bis zur letzten Sekunde hinauszögert hatte und den Euro als Teufelszeug ansieht, ist bekannt. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er das "Diktat aus Brüssel“ für schlimmer hält als das frühere "Diktat aus der Sowjetunion“. Unter ihm hat Tschechien zwar Milliarden aus der EU genommen, sich selbst aber jedweder Solidarität verweigert. Damit ist nun Schluss. Zeman plädiert für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik und grenzüberscheitende Vereinbarungen in der Energiefrage. Schwarzenberg ist seit Jahr und Tag überzeugter Europäer.

Doch das Ende der Anti-EU-Ära in Prag heißt noch nicht, dass die gesamte Klaus-Ära ihr Ende erleben wird. Nach der Wende 1989 hat Klaus wie kein Zweiter auch innenpolitisch das Schicksal Tschechiens bestimmt. Er war derjenige, der den wirtschaftlich reichlich ahnungslosen Dissidenten um Vaclav Havel in der Prager "Laterna magika“ 1989 anbot, das Land umzukrempeln und auf Marktwirtschaft zu trimmen. Die Dissidenten atmeten dankbar auf und ließen Klaus machen.

Zwar empörte sich Havel 1997 in einer legendären Rede darüber, dass dem Land jegliche vernünftigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die großangelegten Privatisierungen fehlten. Aber das war es auch schon. Klaus konnte schalten und walten, wie er wollte. Und mit ihm eine Clique zumeist alter Kommunisten, die ihr früheres Herrschaftswissen und die laxen Gesetze dazu missbrauchten, sich maßlos zu bereichern und dem Staat Milliarden-Schäden zuzufügen.

In dieser Zeit des "wilden Ostens“ verloren zahllose ehrliche Tschechen ihre Ersparnisse, an die sie nie wieder herankommen werden. Schon gar nicht jetzt, da Klaus mit einer überraschenden Amnestie dafür sorgte, dass nicht nur Kleinkriminelle, sondern auch die größten Wirtschaftsverbrecher unter seiner Ägide straffrei ausgehen werden. Damit fallen auch die Entschädigungsforderungen der Betrogenen für immer unter den Tisch.

Zemans Stillstand

Sollte Zeman die Prager Burg erklimmen, dann wird sich an der "schlechten Laune“ vieler Tschechen, die Klaus erzeugt hat, nichts ändern. Es war in der Zeit des Stillhalteabkommens zwischen Zeman und Klaus, als Korruption und Klientelismus erst so richtig Fuß fassen konnten. Zeman sagt heute, er habe sich immer bemüht, etwas dagegen zu tun. Aber das wissen Leute mit gutem Gedächtnis besser.

Die Regierung, der Schwarzenberg angehört, hat freilich auch dem Kraken Korruption nicht die Arme abschlagen können. Daran hat auch der "Fürst“, wie ihn die Tschechen respektvoll nennen, Schuld. Er ist nicht nur Außenminister, sondern auch Chef einer der drei Koalitionsparteien. Ob er sich den Kampf gegen die Korruption wirklich nicht nur verbal auf die Präsidentenstandarte wird schreiben können, muss abgewartet werden. Ein Präsident in Tschechien hat nur beschränkte Vollmachten. Immerhin könnte Schwarzenberg das Thema immer wieder ansprechen, die Regierung drängen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Erst wenn ihm das gelänge, wäre eine Abrechnung mit der Klaus-Ära möglich.

Generell stehen sich mit Zeman und Klaus unterschiedliche Wertvorstellungen gegenüber. Zeman steht für die alte Zeit, Schwarzenberg für die Zukunft, anknüpfend an Havel. Zeman steht zugleich - und das ist für die Wahlen entscheidend - für Nostalgie, für soziale Gleichheit, Schwarzenberg für Freiheit. Es ist völlig offen, wofür sich die Mehrheit der Tschechen bei der Stichwahl am kommenden Sonntag entscheiden wird.

* Der Autor ist freier Journalist und Buchautor. Er lebt und arbeitet seit 1990 in Prag

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