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Nun ist es offenkundig: Wir leben im Zeitalter des Narren, nicht des Wassermanns (was auch schon närrisch genug wäre). Die Texte der soeben eröffneten steirischen Landesausstellung "Narren & Visionäre" im Ausseerland liefern dafür vielfältige Begründungen.

Zum Beispiel die Bedeutung des Begriffs "Narr": Etymologisch leitet er sich vom Wort "Narbe" her, ursprünglich eine "verwachsene Frucht ohne Kern", verwendet im Sinn von "missratene menschliche Kreatur", der die Ebenbildlichkeit Gottes fehlt. Das erinnert fatal an das Menschenbild jener englischen Lordrichter, welche in der vergangenen Woche "Babyzucht" zum Zweck der genetischen Reparatur eines bereits geborenen Menschen für rechtens erklärt haben - eines Narren, weil ihm aufgrund seiner Krankheit die Ebenbildlichkeit Gottes fehlt? Damit outen sich die Richter nach den frühesten Narrendarstellungen auch gleich selber als Narren: In Psalterhandschriften des Hoch- und Spätmittelalters wird der Vers des Psalms 52 "Es gibt keinen Gott" mit Narrenbildern illustriert - Gottesleugner und -verächter sind die ärgsten Narren, weil sie damit ihr Seelenheil verwirken.

Auch zwei Modefarben dieses Jahres, gelb und orange (vor allem in Österreich), sind Kennzeichen des Narrenzeitalters. Die Farben signalisierten im Mittelalter Außenseiterexistenzen und wurden mit dem Safran in Verbindung gebracht, dem man nachsagte, dass sein Übergenuss zu Lach- und Wahnsinnsanfällen führe.

Fazit: das Narrentum ist der Normalzustand. Das muss auch der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky gemeint haben, als er feststellte: "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt." Vielleicht ist auch das ein Grund für die vielen arbeitslosen Ärzte in Österreich.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Direktor der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz.

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