Nicht wenige Europäer, deren Denken unterschwellig von Gaullismen bestimmt wird, freuen sich insgeheim am schlechten Ruf, den die Vertreter der Vereinigten Staaten in Lateinamerika genießen. Dafür verweisen sie gerne auf die vielen Zeichen, welche die Sehnsucht Lateinamerikas nach einem echten Dialog mit Europa, der als Alternative für die Beziehungen zu Nordamerika dienen soll, dokumentieren. Noch klingt den Europäern der Jubel in den Ohren, der de Gaulle auf seiner Reise durch den lateinamerikanischen Kontinent entgegenbrandete; doch seit dem Beginn der französischen Atombombenversuche auf dem Atoll Mururoa 6000 Kilometer vor der lateinamerikanischen Westküste verbleicht delr Glanz des Generals, da man in der südlichen Hemisphäre bitter erfahren mußte, daß der französische Staatschef bei der Durchsetzung machtpolitischer Ziele nicht weniger rücksichtslos vorgeht als die „häßlichen Amerikaner". Zudem wird vergessen, daß der einfache Campesino diese feinen Unterschiede zwischen Nordamerika und Europa nicht zu fassen versteht; jedem, der in den bequemen (und bewachten) goldenen Ghettos ihrer Städte wohnt, steht die Bezeichnung „Gringo“ zü, ob er nun aus Paris, Frankfurt, London oder New York kommt. Als Beleg für das Verschwimmen der Grenzen eines nordamerikanischen und europäischen „Gringoismus“ in den Augen der Lateinamerikaner mag der Experi- mentalfllm des Mexikaners Rüben Gomez, „La formula secreta“, zitiert werden, dessen Erstaufführung wir beiwohnten (und der trotz handwerklicher Mängel prompt den Preis der mexikanischen Filmgilde für die beste Erstregie erhielt). In surrealistischen Chiffren zeigt Rüben Gomez die Nöte und Frustrationen seines Landes auf. In der Schlußszene läßt der Regisseur einen Raketenstart simulieren: während des count-down ziehen die auf der Rakete aufgemalten Namen amerikanischer Großkonzerne vorüber. Die Zuschauer — Künstler, Journalisten, Studenten —, die das Opus mit Schweigen verfolgten, brachen an dieser Stelle in Jubel und Händeklatschen aus, das sich von Name zu Name steigerte und auch nicht aufhörte, als die Initialen englischer, französischer, deutscher und schwedischer Firmen aufschienen.
