Landraub und Kindeswegnahme

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Als James Cook den Südkontinent 1770 als New South Wales für die britische Krone in Besitz nahm, traf er dort auf dunkelhäutige Menschen, die als Jäger, Sammler und Fischer lebten und den Kontinent bereits geschätzte 50.000 bis 60.000 Jahre besiedelt hatten. Das hielt die Briten nicht davon ab, das Land zur terra nullius, völkerrechtlich also zum unbesiedelten Land, zu erklären und die Fahne von König George III zu hissen. Ab 1788 diente der Kontinent als Sträflingskolonie. Die rund eine Million zählenden Ureinwohner wurden als Problem betrachtet, das sich von selbst erledigen würde. Aus Europa eingeschleppte Krankheiten dezimierten die nicht mit Immunstoffen ausgerüsteten Aborigines schnell. Der Ende des 19. Jahrhunderts ausgebrochene Goldrausch spülte Tausende Abenteurer ins Land, die zu Recht davon ausgehen konnten, dass die Ermordung lästiger Ureinwohner ungesühnt bleiben würde. 1911 zählte man nur mehr 30.000 Aborigines. Die Regierung entwarf Projekte, die deren absehbares Aussterben palliativ abfedern sollte. Man sperrte die Ureinwohner in Reservate und Missionsheime. Kinder wurden in staatliche Obhut genommen und weißen Paaren zur Adoption angeboten. Tausende Kinder sind also fern ihrer eigentlichen Kultur aufgewachsen und haben gelernt, diese als minderwertig zu verachten. Diese Praxis wurde bis in die 1950er-Jahre fortgesetzt.

Doch zur Überraschung aller nahm die Bevölkerungszahl seither stetig zu. Dank hoher Geburtenzahlen und erfolgreicher Bekämpfung der hohen Kindersterblichkeit konnte die Volkszählung 2001 fast eine halbe Million Aborigines registrieren.

Erst in den 1960er-Jahren setzte ein Umdenken auf staatlicher Ebene ein: erstmals wurden Aborigines bei der Volkszählung berücksichtigt, sie bekamen das Wahlrecht, das Recht auf Sozialhilfe und viele diskriminierende Gesetze wurden aufgehoben. Aber immer noch bekamen sie für gleiche Arbeit weniger bezahlt als weiße Staatsbürger. Assimilation hieß die Devise. Eine Bürgerbewegung der Aborigines forderte das Recht auf Zugang zu "weißen" Schulen, das Recht, Eigentum zu besitzen und zu erwerben, in Hotelbars zu trinken und sich in die weiße Gesellschaft zu integrieren. Eine gegenläufige Bewegung versuchte die eigene kulturelle Identität zu stärken und kollektive Landrechte anerkannt zu bekommen. Es sollte aber bis 1976 dauern, dass die Bundesregierung ehemaliges Reservatsgebiet in Nordaustralien an die Landräte der Aborigines übergab. Die meisten Bundesstaaten folgten dem Beispiel. Aber gerade das konservative Queensland, wo die meisten Aborigines leben, zeigte sich zurückhaltend, weil Bergbauinteressen betroffen waren. Ein Gesetz aus dem Jahr 1971 untersagte es Aborigines sogar, Reservate ihrer Wahl auch nur zu besuchen und verpflichtete sie, für Bezahlung unter dem Mindeslohn zu arbeiten. Diskriminierende Gesetze wurden erst nach und nach aufgehoben, kollektive Landrechte ab 1992 anerkannt.

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