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Lexikon, Leben und Liebe

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Mein Leben als lexikalische Lücke non Kyra Groh: Eine Kombination aus Liebesroman, einem Appell über die Wichtigkeit von Kommunikation und der Skizzierung unterschiedlicher Weltanschauungen.

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Mein Leben als lexikalische Lücke non Kyra Groh: Eine Kombination aus Liebesroman, einem Appell über die Wichtigkeit von Kommunikation und der Skizzierung unterschiedlicher Weltanschauungen.

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„Sisu“ stammt aus dem Finnischen und meint so viel wie Kampfgeist oder die „mentale Eigenschaft, auch in aussichtslosen Situationen niemals aufzugeben“. Es ist eines jener Wörter, die samt Definition wie kleine Vignetten an den Beginn jedes Kapitels in Kyra Grohs neuem Jugendroman gestellt werden. Diese Wörter sind es auch, die die Atmosphäre und Emotionen der jugendlichen Figuren im folgenden Text einfangen und widerspiegeln werden. Bezeichnet werden diese Termini aufgrund der Unübersetzbarkeit als lexikalische Lücken.

Zu Wort kommen dabei die beiden jugendlichen Figuren Benni und Jule, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird: Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Wäre da nicht die Liebe zu lexikalischen Begriffen, die keine akkurate Übersetzung ins Deutsche finden und die sich immer mehr einschleichende familiäre Entfremdung: Benni – eine Nebenfigur aus Grohs Debütroman „Sicherheit ist eine verdammt fiese Illusion“ (2020) – ist vaterlos, Sohn einer streng religiösen Mutter und absolviert nach dem Schulabschluss ein Praktikum im Krankenhaus. Die strikten Glaubensinhalte vertritt er schon lange nicht mehr, scheut aber den offenen Konflikt aufgrund der labilen Psyche seiner Mutter. Jule hingegen hasst die polemischen Gespräche am Frühstückstisch sowie den unreflektierten Fleisch- und Medienkonsum ihrer Familie. Stattdessen sind ihr die Fridays-for-Future-Bewegung und das Klima eine Herzensangelegenheit: Themen, die diametral zur Weltanschauung ihrer Familie verlaufen. Inmitten dieser familiären Konflikte treffen die beiden Jugendlichen aufeinander und finden ineinander einen Ort der Kommunikation und Zuneigung, die in der Familie so schmerzlich vermisst wird und der sich auch im Freundeskreis nicht einstellen will. Metaphorisch gesprochen verstehen sie sich selbst also als „lexikalische Lücke“.

Eingewoben wird diese aufkeimende Liebe in ein Umfeld, mit dem die Autorin ein Abbild der Gegenwart skizziert; die Jugendlichen sehen sich mit Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und Oberflächlichkeit ebenso konfrontiert wie mit der eigenen jugendlichen Selbstergründung und der Suche nach dem für sie allein und gemeinsam passenden Platz in der Gesellschaft.

Eine Kombination aus Liebesroman, einem Appell über die Wichtigkeit von (innerfamiliärer) Kommunikation und der Skizzierung unterschiedlicher Weltanschauungen, die als „lagom“ (schwedisch für gerade richtig, genau passend) bezeichnet werden könnte.

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