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Sebastian Vogt schreibt parabelhafte Geschichten um menschliches (Fehl-)Verhalten.

Legenden und ein Söhnchen" ist der etwas manierierte Titel von Sebastian Vogts Prosadebüt. Das schmale Buch versammelt "Erzählungen aus fernen Landen", und das zeigt, dass es dem 1969 in Wien geborenen Autor mehr um parabelhafte Geschichten zu tun ist. Sie sind an imaginären Orten angesiedelt, auch wenn von Bagdad die Rede ist, von China oder Indien. Vogt erzählt von Sultanen, Fürsten, Kaisern, Stadthaltern, Sternendeutern, Sklaven, Gemüsehändlern, Reisbauern und antiken Kriegern, er baut Paläste auf und verwinkelte Altstädte, Hüttendörfer und Fürstenhöfe an fernen Küsten.

Unabhängig von der gewählten Kulisse und dem hineingestellten Personal geht es um die Frage nach menschlichem (Fehl)Verhalten, dessen soziale Folgen sich mit der Ranghöhe potenzieren. Doch wie aktiv die Mächtigen ihre Umwelt zu gestalten trachten, was mitunter zu ihrer Zerstörung führen kann, als Menschen sind auch sie vor den prinzipiellen Unwägbarkeiten des Schicksals nicht gefeit.

Verfehlungen

Viele der Geschichten spießen ein prinzipielles Scheitern am Umgang mit den Mitmenschen auf; oft sind es Potentaten, die sich fanatisch einem Hobby ergeben, statt sich für ihre Untertanen und ihre Ehefrauen zu interessieren. Sie sammeln Bücher und Wissen, notfalls auch mit brachialer Gewalt, leben nur für ihre Pferde oder für das Theater bzw. die homoerotischen Kontakte zu den Schauspielern. Ihre Aufgabe verfehlen sie alle und büßen mit dem sozialen Sturz, wobei hier und andernorts Missgunst, Neid, üble Nachrede und Rufmord in verschiedenen Abmischungen mitspielen.

Verräter

In der ersten Geschichte überlebt der Erste der kaiserlichen Schriftgelehrten, Chen Wei Yang, die Folter am Wasserstock, bei der zwei Monate lang Wasser auf den kahl geschorenen Kopf des Delinquenten tropft, nur deshalb, weil er vom Kaiser erfahren will, weshalb er in Ungnade gefallen ist, wo er sich doch keiner Schuld bewusst ist. Kaum wieder hergestellt, schleicht er sich in den kaiserlichen Palast, um Antwort auf seine Frage zu erhalten; tatsächlich dringt er zum Kaiser vor und will gerade zu seiner Frage anheben, als ihn die Palastwache niederstreckt und der Kaiser ihm in den Tod nachschickt: "Ich hab gewusst, dass du ein Verräter bist."

Eine Paraphrase auf den ruhmsüchtigen Helden vor Troja fehlt ebenso wenig wie Erzählungen von geraubten oder verlorenen Söhnchen, die, wie man auch aus der Bibel weiß, in alten Zeiten mitunter fantastisch errettet wurden und zu besonderen Ehren gelangten. Manche der Geschichten scheinen bekannte Konstellationen neu aufzumischen, wie "Der Mönchstiger", eine Art Überblendung von E. T. A. Hoffmanns Teufelsbündler-Mönch Medardus mit Schillers "Kampf mit dem Drachen".

Verurteilung

Die gelungenste Geschichte oder doch die mit der besten Pointe ist vielleicht die Erzählung vom Soldaten, der unter Einsatz seines Lebens das heilige Bild des Kaisers aus der unhaltbar belagerten Stadt rettet. Drei Tage und drei Nächte ist er unterwegs und als er erschöpft vor seinem Kaiser anlangt, wird er wegen Feigheit vor dem Feind zum Tod verurteilt; denn an dem Bild liegt dem Kaiser nichts, "Hunderte, ja Tausende gebe es in der Hauptstadt". Das ist eine schöne Metapher für die Ungleichzeitigkeiten zwischen Peripherie und Zentrum, und für die Langsamkeit, mit der sich einst Gesellschaftssysteme umorganisierten.

Legenden und ein Söhnchen

Erzählungen aus fernen Landen

Von Sebastian Vogt

Otto Müller Verlag, Salzburg 2008

123 Seiten, geb., € 16,-

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