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Rauchende Meiler in der Kalten Kuchl

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Peter Wieser, er mag 50 Jahre alt sein, strahlt Tatkraft aus. Er ist wie ein Weidmann gekleidet, aber die Hose und die Stiefel sind abgetragen, ohne jede Sonntagsjäger-Eleganz. Seine Hemdsärmel hat er aufgekrempelt, der ausgebeulte Hut beschattet sein längliches Gesicht. Wieser macht Holzkohle, er ist Köhler. Seine Wirkstatt, zwischen einem steilen Hang und einer Straße gelegen, ist ein Streifen, wo zwei Meiler ein Schuppen und eine gemauerte Hütte stehen.

Die B 21 verbindet Wiener Neustadt mit Mariazell. Nach Pernitz und Gutenstein wird es idyllisch: man fährt an wenigen Höfen vorbei, auf den Bergen rundum stehen dichte Wälder. Drei Köhler lassen zwischen Rohr im Gebirge und der Kalten Kuchl ihre Meiler rauchen. Der Chronist Rudolf Thron nennt die Strecke die Köhlerstraße. Das alte Handwerk des Kohlenbrennens lebt hier fort -keine Stunde von der mondänen Bundeshauptstadt entfernt.

„Vor allem ist einmal wichtig die Grundlage, der Boden - dort wo der Haufen draufsteht. In der Kohlengrube ist eine Lehmschicht drinnen mit einem Meter”, erklärt Wieser. Der Lehm wirke wie die Schamotte im Backofen. Der Meiler, ein bedeckter Holzhaufen, in dem die Holzkohle entsteht, wird in einem auf drei Seiten mit Brettern verschlossenen Platz von drei mal 13 Metern aufgebaut. Stangen stützen die Bretterwände, Leitern stehen angelehnt. „Wir legen

Stämme rein bis zu einem Meter Durchmesser - Buchen, die man mit dem Kran fast nicht mehr heben kann.” Wieser schlichtet die 2,5 Meter langen Baumstämme mit einem Kran, wobei er die Schnittflächen der Stämme zu den langen Wänden ausrichtet. Zwischen Stamm und Wand läßt er einen Abstand. So wächst ein Holzstoß, der vorne mehr als einen Meterund hinten drei Meter hoch ist. In dieser Keilform verglost alles Holz. „Es sind ungefähr 100 Raummeter Holz drinnen”, sagt er und mustert sein Werk. Jetzt kann der Holzstoß „schwarz gemacht” werden. Revor Wieser den Stoß mit schwarzer Kohllösch, das ist Kohlenstaub, bedeckt, legt er Reisig auf. „Denn wenn du das Material gleich darauf haust auf das Holz - dann funktioniert das sicher nicht, denn das Holz muß auch Luft haben.”

Acht Wochen Glut

Der Meiler wird zugemacht. Wieser zündet ihn vorne in einer kleinen offenen Mulde an. Der Kohlenbrenner wartet bis das Feuer abgebrannt und nur mehr ein Glutstock übrig ist, dann deckt er auch diesen ab. Das Kohlen-beginnt. Vier bis acht Wochen „brennt” der Meiler. Dafür ist Erfahrung nötig: Die Glut soll nicht ersticken, andererseits darf kein Feuer ausbrechen. „Man muß die Luft regeln. Das ist halt dann das Gefühl. Man weiß genau, wo jetzt ungefähr das Feuer ist; der Haufen wird niedriger, es zieht durch die Rretterwand.” Der Kohlenbrenner will Kohle und nicht Asche, deshalb verbrennt er das I lolz nicht, es soll nur verschwelen.

Wahrend noch I lolz im Meiler verkohlt, während die Glut sich weiterfrißt, beginnt Wieser, vorne I Iolzkoh le herauszunehmen. Der Meiler raucht etwas in der Mittagssonne. Das I lerausholen von heißer I Iolzkohle ist anstrengend. Wieser darf die Iolzkohle nicht freilegen und maschinell herausnehmen, sie könnte sich an der Luft entzünden und den Meiler durchbrennen lassen. „Das ist Händearbeit”, sagt der Mann.

Holzkohle war der wichtigste Energielieferant für die vorindustrielle Gesellschaft. In Österreich wurden noch vor 150 Jahren Wälder über Rergrücken hinweg abgeholzt und in Holzkohle verwandelt. Wieser meint, daß 80 Prozent des geschlagenen I Iol-zes verkohlt worden seien. Sein Berufsstand war nie angesehen, trotzdem verdingten sich viele Menschen mit dem Herstellen von Holzkohle.

Braun und Steinkohle, später Erdöl und Erdgas liefen der Holzkohle den Rang ab. Sie ermöglichten erst den industriellen Fortschritt. Die Zahl der Köhler nahm bei uns drastisch ab; man wundert sich, daß es noch welche gibt.

Holzkohle wird heute vor allem bei der Runtmetall-, insbesondere bei der Kupferverarbeitung und beim Grillen verwendet. Sie komme häufig aus Ostmitteleuropa. Schlechte Holzkohle entstehe als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Holzteer und -essig in der chemischen Industrie. Von dieser „Retortenkohle” hält Wieser nichts: „Das ist das, was Brennwert Null hat”.

Er verkauft seine Kohlen in 50 und 10 Liter Säcken an Leute, die vorbeikommen und sie abholen. Feuerwehrfest- und Freizeitgriller aus der Region decken ihren Bedarf bei ihm. „Die Maronibrater nehmen jetzt sehr viel ab, das geht sehr gut.” Außerdem beliefert er die Industrie mit dem „Feinen” (Kohlenstaub). Da das Verkohlen von Holz ein willkommenes Nebenerwerbseinkommen ist, wird das Wissen innerhalb der Familie tradiert. Wieser senior gab es seinem Sohn, der baut schon eigene Meiler.

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