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Rehabilitierung des „alten Sünders“

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Das gilt übrigens auch für Österreich. Denken wir an die national-rätliche Diskussion über das Volksbegehren, bei der ebenfalls Formulierungen gewählt wurden, die geradezu peinlich wirkten und an Sitzungen erinnern, in denen bereits Uniformierte den Ton angaben.

In Österreich ist manches über F.-J. Strauß geschrieben worden. Nicht viel Gutes übrigens. Vielleicht auch, weil man mit der Person von Strauß die historische Atmosphäre des Bürgerbräuhauses verbindet. Trotzdem sollen wir nicht übersehen, daß Fairneß und Bekenntnis zur Wahrheit gebieten, die erwiesene Falschheit und Unbeweis-barkeit vieler schmutziger Anschuldigungen, die gegen Strauß erhoben wurden, festzustellen. Derlei zu sagen, ist sicherlich nicht populär, weil die Vorstellungen vom „alten Sünder“ Strauß für viele eine Art Identifikation dargestellt hat, die man nun aufgeben muß, da die genüßlich registrierten „Untaten“ nun nicht begangen worden sind. Das will man nicht wahrhaben.

Verachtet mir den Bajuwaren nicht

Schließlich sollte man auch nicht vergessen, daß der Kampf gegen Strauß zwar nicht gegen den ohnedies liberalen Katholiken Strauß geführt wird, wohl aber gegen den Süddeutschen, wobei manche bei Strauß den „Austro-Bajuwaren“ Adolf H, dem er in nichts, nicht einmal in der Abstammung, gleicht, mitdenken.

Der deutsche Nord-Süd-Gegen-satz, in der BRD durch Binnenwanderung und Flüchtlingsansiedlung zeitweilig überdeckt, ist heute zumindest im Bereich der Publizistik wieder überdeutlich sichtbar geworden. Vielfach ist den Journalisten, die an der Waterkant seßhaft geworden sind, F.-J. Strauß nur ein Symbol, ein Fluchtpunkt ihrer herrenmenschlichen Abneigung gegen den süddeutschen „Untermenschen“, den bajuwarischen Kannibalen.

Dieser Mensch aus den süddeutschen Urwäldern wird vollendet verachtet, aber nicht als Ganzes, als Spezies angegriffen (schließlich entstammen den wilden süddeutschen Stämmen hohe Leserquoten), wohl aber in einem Mann, dessen* Eigenart als eine Kombination von Geist, Witz und Schlagfertigkeit mit unbändiger politischer Rauflust alle jene Merkmale drastisch aufweist, mit denen sich der Urbajuware darzustellen und als Objekt der Abneigung darzubieten vermag: Dem eben fünfzig Jahre alt gewordenen F.-J. Strauß.

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