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Vom Glück des Spleens

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FÜRST PÜCKLER REIST NACH ENGLAND. Au den „Briefen eines Verstorbenen“. Herausgegeben von H. Ch. M e t t i n. Mit Textlllustrationen. 433 Selten. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.

Zu den großen Brief Schreibern des 19. Jahrhunderts, die — lateinisch und französisch geschult — die Leichtigkeit und Schmiegsamkeit dieser Ausdrucksform vollendet beherrschten, zählte der berühmte Gartenschöpfer Fürst Hermann Pückler-Muskau. Seine Briefe — seinerzeit viel gelesen und heute (wie zum Beispiel auch jene Moltkes) zu Unrecht vergessen — waren vor zwei Generationen so bekannt wie die ganz andersartigen von Heinrich Laube. Sie sind lebendig, formgewandt und das Zeugnis einer eigenständigen, oft auch höchst eigenartigen Persönlichkeit. Die vorliegende Ausgabe gibt die Berichte wieder, welche Fürst Pückler aus London seiner Gattin gesandt hat. Man kann dreimal vergeblich raten, um welches Thema sie kreisen: Uber seine dortige Brautschau. Denn der 44jährige, seiner Frau zärtlich zugetane Ehemann, hatte sich im Einvernehmen mit dieser entschlossen, sich scheiden zu lassen und nach einer angemesse-

nen und reichen Braut Umschau zu halten. Seine Gartenleidenschaft und sein nobler Lebensstil hatten ihn ruiniert. Er tat sein möglichstes, den Reisezweck zu erfüllen, aber es war alles vergeblich. Nicht daß der Fürst den von ihm ausersehenen Bräuten nicht anziehend erschienen wäre. Aber er schwärmte ihnen soviel von seiner (von ihm doch geschiedenen) Frau vor, daß sich keine der jungen Damen zu entschließen vermochte. Also kehrte Fürst Pückler nach zwei Jahren unverrichteter Dinge an den häuslichen Herd zurück.

Diese bizarre Handlung, voll Spleen, aber nicht frivol, ist ein Roman für sich und zwar ein solcher in Form von „echt gelaufenen“ Briefen. Freunde dieses gepflegten und anziehenden Genres werden das kleine Buch mit Vergnügen lesen, so sie — wie der Rezensent — an den zeitüblichen eingestreuten französischen Wendungen keinen Anstoß nehmen.

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